FAQs – Versorgung & Bedarf

  • Kinder und Jugendliche mit Fluchtbiografie werden oft schon sehr früh Zeug*innen von menschengemachter Gewalt oder erleben diese sogar als direkt gegen sie gerichtet.  Bei mehr als der Hälfte der geflüchteten Kinder in Deutschland liegen psychologische Belastungssymptome vor und 40 % der Kinder sind durch die Gewalterfahrungen u. a. in der Schule, aber auch in zwischenmenschlichen Interaktionen deutlich eingeschränkt (Gavranidou et al., 2008).

    Das häufigere Erleben von traumatisierenden Situationen wird durch eine Studie aus den Niederlanden deutlich, die zeigt, dass etwa 23 % der begleiteten Kinder körperlich misshandelt und etwa 8 % sexuell missbraucht werden, wohingegen 63 % der unbegleiteten Minderjährigen körperlich und 20 % sexuell misshandelt wurden (bei Jungen: 12 %, bei Mädchen: 39 %) (Bean et al., 2007). Studien konnten zeigen, dass Prävalenzen für PTSD bei begleiteten und unbegleiteten Minderjährigen zwischen 14 % bis 60 % (Metzner et al., 2016; Spallek et al., 2016) und für Depressionen zwischen 6 % bis etwa 36 % (Metzner et al., 2016) liegen.

     

    Weitere Informationen finden Sie unter:

    Infoseite zu jungen Geflüchteten der BAfF: http://www.baff-zentren.org/gefluechtete-kinder-und-jugendliche/

    Bean, T., Derluyn, I., Eurelings-Bontekoe, E., Broekaert, E., & Spinhoven, P. (2007). Comparing psychological distress, traumatic stress reactions, and experiences of unaccompanied refugee minors with experiences of adolescents accompanied by parents. The Journal of Nervous and Mental Disease, 195(4), 288–297. https://doi.org/10.1097/01.nmd.0000243751.49499.93

    Gavranidou, M., Niemiec, B., Magg, B., & Rosner, R. (2008). Traumatische Erfahrungen, aktuelle Lebensbedingungen im Exil und psychische Belastung junger Flüchtlinge. Kindheit und Entwicklung, 17(4), 224–231. https://doi.org/10.1026/0942-5403.17.4.224

    Metzner, F., Reher, C., Kindler, H., & Pawils, S. (2016). Psychotherapeutische Versorgung von begleiteten und unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen und Asylbewerbern mit Traumafolgestörungen in Deutschland. Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz, 59(5), 642–651. https://doi.org/10.1007/s00103-016-2340-9

    Spallek, J., Tempes, J., Ricksgers, H., Marquardt, L., Prüfer-Krämer, L., & Krämer, A. (2016). Gesundheitliche Situation und Versorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge – eine Näherung anhand qualitativer und quantitativer Forschung in der Stadt Bielefeld. Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz, 59(5), 636–641. https://doi.org/10.1007/s00103-016-2339-2

  • Im Vergleich zur deutschen Bevölkerung haben Geflüchtete ein 10-fach erhöhtes Risiko an einer Posttraumatischen Belastungsstörung oder einer Depression zu erkranken (Fazel et al., 2005).

    Neuere Auswertungen der Daten aus einer Längsschnittbefragung, die das Sozio-oekonomische Panel (SOEP), das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und das Forschungszentrum des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF-FZ) gemeinsam durchführen[1], zeigen, dass die körperliche Gesundheit der seit 2013 nach Deutschland geflüchteten Menschen über dem Durchschnittswert der deutschen Gesamtbevölkerung liegt. Die Autor*innen erklären dies durch die junge Altersstruktur. Die Werte zur psychischen Gesundheit liegen jedoch unter dem Bevökerungsdurchschnitt: „Die psychische Gesundheit von Geflüchteten […] steht in einem starken Kontrast zu ihrem körperlichen Wohlbefinden. Sie weisen ein signifikant niedrigeres psychisches Wohlbefinden als der Bevölkerungsdurchschnitt auf. Bei keiner der verglichenen Bevölkerungsgruppen ist die Divergenz zwischen dem körperlichen und psychischen Wohlbefinden derart stark ausgeprägt.“ Vergleichsweise besonders belastet sind Frauen und die Altersgruppe über 45 Jahre (Metzing et al., 2020).

    Auch das Risiko an einer PTBS zu erkranken, war in allen Altersgruppen hoch. Ein PTBS-Risiko besteht, wenn die emotionale Belastung einen Schwellenwert überschreitet, ab dem auf lange Sicht die Entwicklung einer PTBS möglich ist. In allen Herkunftsländern lag das PTBS-Risiko über 20% – also weit höher als für den Bevölkerungsdurchschnitt zu erwarten. In Deutschland liegt die 12-Monats-Prävalenz für eine Posttraumatische Belastungsstörung in der Allgemeinbevölkerung bei 2,3%.

    In einer Studie der AOK (Schröder, 2018) zeigten mehr als 40% der Befragten Anzeichen depressiver Erkrankungen. Auch die subjektive Einschätzung des eigenen Gesundheitszustands sei bei Geflüchteten im Vergleich zur deutschen Wohnbevölkerung deutlich schlechter – obwohl Geflüchtete seltener angaben, an chronischen Krankheiten zu leiden.

     

    Weitere Informationen finden Sie unter:

    Aktuelle Zahlen zur psychosozialen Versorgung durch die PSZ in den jährlichen Versorgungsberichten der BAfF: http://www.baff-zentren.org/veroeffentlichungen-der-baff/versorgungsberichte-der-baff/

    Brücker, H., Croisier, J., Kosyakova, Y., Kröger, H., Pietrantuono, G., Rother, N., & Schupp, J. (2019). Zweite Welle der IAB-BAMF-SOEP-Befragung. Geflüchtete machen Fortschritte bei Sprache und Beschäftigung. (01/2019; Kurzanalysen des Forschungszentrums Migration, Integration und Asyl des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge). https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Publikationen/Kurzanalysen/kurzanalyse1-2019-fortschritte-sprache-beschaeftigung.pdf?__blob=publicationFile

    [1] Eine ausführliche Darstellung der Studie findet sich im 5. Versorgungsbericht (Seite 11 ff.): http://www.baff-zentren.org/wp-content/uploads/2019/11/BAfF_Versorgungsbericht-5.pdf

  • Rund drei Viertel der in Deutschland lebenden Schutzsuchenden haben unterschiedliche Formen von Gewalt erfahren und sind oft mehrfach traumatisiert (Schröder et al., 2018). International konnte eine Prävalenzrate von rund 30 % für Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) und depressive Erkrankungen bei Geflüchteten festgestellt werden (Steel et al., 2009).

    Die Frage nach der Zahl der traumatisierten Geflüchteten in Deutschland ist eine der häufigsten Fragen an Akteur*innen der psychosozialen Versorgung für Geflüchtete. Ihre Beantwortung ist nicht einfach. Denn die Angaben zu Prävalenzen von Traumafolgestörungen bei Geflüchteten variieren deutlich in Abhängigkeit z. B. von der untersuchten Gruppe oder auch von den eingesetzten Erhebungsinstrumenten.

    Um Aussagen darüber treffen zu können, wie viele Menschen von einer Krankheit betroffen sind, werden Prävalenzstudien durchgeführt. In den Studien zu Prävalenzen und damit zur Epidemiologie, d.h. zur Verbreitung von Krankheiten bei geflüchteten Personen, steht außerdem im Mittelpunkt, ob und wenn ja für wen das Risiko zu erkranken eher ab- oder eher zunimmt und welche Faktoren es beeinflussen.

    Die Angaben zu Prävalenzen von Traumafolgestörungen bei Geflüchteten variieren deutlich in Abhängigkeit z.B. von der untersuchten Gruppe oder auch von den eingesetzten Erhebungsinstrumenten. International konnte eine Prävalenzrate von rund 30% für PTBS und depressive Erkrankungen bei Geflüchteten festgestellt werden (Steel et al., 2009). Es gibt nach wie vor nur wenige (repräsentative) Zahlen zu Prävalenzen von Traumafolgestörungen bei der zur Zeit in Deutschland lebenden Gruppe von Menschen mit Fluchterfahrung (Razum, Bunte, et al., 2016).

    Eine nationale Studie der AOK (Schröder, 2018) zeigt auf, dass rund drei Viertel (74,7%) der in Deutschland lebenden Schutzsuchenden unterschiedliche Formen von Gewalt erfahren haben und oft mehrfach traumatisiert sind. Bei mehr als 40% der Befragten zeigten sich zudem Anzeichen depressiver Erkrankungen.

    Bei einer Studie in einer Erstaufnahmeeinrichtung in Leipzig mit 570 Personen zeigten 247 Personen (48,7%) ein positives Ergebnis beim Screening für mindestens eine der erfassten psychischen Erkrankungen. So wurden bei 31 % der Befragten Symptome einer somatoformen Störung, bei 22 % einer depressiven Erkrankung und bei 35 % einer PTBS festgestellt (Nesterko et al., 2019).

    In einer Querschnittserhebung in Gemeinschaftsunterkünften in Baden-Württemberg im Rahmen des Forschungsprojekts RESPOND berichteten 19 % der Geflüchteten einen schlechten oder sehr schlechten Gesundheitszustand und 40 % chronische Erkrankungen. Etwa 45 % der Schutzsuchenden hatten ein positives Ergebnis in Screeningfragebögen zu Depression und Angst (Biddle, Menold, et al., 2019).

    Weitere Informationen finden Sie unter:

    Aktuelle Zahlen zur psychosozialen Versorgung durch die PSZ in den jährlichen Versorgungsberichten der BAfF: http://www.baff-zentren.org/veroeffentlichungen-der-baff/versorgungsberichte-der-baff/

    Biddle, L., Menold, N., Bentner, M., Nöst, S., Jahn, R., Ziegler, S., & Bozorgmehr, K. (2019). Health monitoring among asylum seekers and refugees: A state-wide, cross-sectional, population-based study in Germany. Emerging Themes in Epidemiology, 16(1), 3. https://doi.org/10.1186/s12982-019-0085-2

    Bozorgmehr, K., Mohsenpour, A., Saure, D., Stock, C., Loerbroks, A., Joos, S., & Schneider, C. (2016). Systematische Übersicht und „Mapping“ empirischer Studien des Gesundheitszustands und der medizinischen Versorgung von Flüchtlingen und Asylsuchenden in Deutschland (1990–2014). Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz, 59(5), 599–620.

    Nesterko, Y., Jäckle, D., Friedrich, M., Holzapfel, L., & Glaesmer, H. (2019). Prevalence of post-traumatic stress disorder, depression and somatisation in recently arrived refugees in Germany: An epidemiological study. Epidemiology and Psychiatric Sciences, 29, e40. https://doi.org/10.1017/S2045796019000325

    Razum, O., Bunte, A., Gilsdorf, A., Ziese, T., & Bozorgmehr, K. (2016). Gesundheitsversorgung von Geflüchteten: Zu gesicherten Daten kommen. Robert Koch-Institut, Epidemiologie und Gesundheitsberichterstattung. https://doi.org/10.25646/2173

    Schröder, H., Zok, K., & Faulbaum, F. (2018). Gesundheit von Geflüchteten in Deutschland – Ergebnisse einer Befragung von Schutzsuchenden aus Syrien, Irak und Afghanistan. WIdOmonitor, 1, 1–20.

    Steel, Z., Chey, T., Silove, D., Marnane, C., Bryant, R. A., & van Ommeren, M. (2009). Association of Torture and Other Potentially Traumatic Events With Mental Health Outcomes Among Populations Exposed to Mass Conflict and Displacement: A Systematic Review and Meta-analysis. JAMA: The Journal of the American Medical Association, 302(5), 537–549. https://doi.org/10.1001/jama.2009.1132