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AsylbLG: Diskriminierung im Zugang zum Gesundheitssystem

Geflüchtete Menschen aus der Ukraine sollen umfassend medizinisch und therapeutisch versorgt werden können. Diese Aussage steht im Widerspruch zum Asylbewerberleistungsgesetz, dass bisher auch für Menschen, die aus der Ukraine fliehen, gilt.

Menschen, die aktuell vor dem Krieg in der Ukraine fliehen, sollen in Deutschland umfassend medizinisch und therapeutisch versorgt werden können. Auf der Website des Bundesgesundheitsministeriums ist zu lesen:

„Schutzsuchende aus der Ukraine sind nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) leistungsberechtigt: entweder nach Äußerung eines Schutzgesuchs (§ 1 Abs. 1 Nr. 1a AsylbLG) oder nach Erteilung eines Aufenthaltstitels (§ 24 AufenthG gemäß §1 Abs. 1 Nr. 3a AsylbLG). Es besteht ein Anspruch auf Gesundheitsleistungen (§§ 4, 6 AsylbLG).“

Mit dieser Aussage wird suggeriert, dass die Menschen einen niedrigschwelligen und umfänglichen Zugang zur Gesundheitsversorgung in Deutschland haben.

Grundsätzlich würden wir diese politische Willensbekundung für alle geflüchteten Menschen in Deutschland begrüßen. Tatsächlich aber diskriminiert das Asylbewerberleistungsgesetz massiv beim Zugang zum Gesundheitssystem und macht die Erkennung von Schutzbedarfen unmöglich.

Marie Melior, Jurist*in bei der BAfF

Das Bundesinnenministerium unter Ministerin Nancy Faeser scheint die mangelhafte Versorgung durch das AsylbLG erkannt zu haben und will Geflüchtete aus der Ukraine nun mit Leistungen auf Hartz-IV-Niveau versorgen. Außerdem sollen diese Geflüchteten sofort arbeiten dürfen. Die Gründe, die für eine solche Verbesserung der Versorgung sprechen, treffen auf sämtliche Geflüchtete zu, nicht nur auf Menschen mit ukrainischer Staatsangehörigkeit. Es sind menschenrechtliche Gründe. Dadurch würde endlich die diskriminierende Unterversorgung durch das AsylbLG beendet werden.

Hintergrund:

Überlebende von Krieg, Folter und Flucht werden nach ihrer Ankunft in Deutschland registriert und erhalten in der Regel Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Für die Menschen bedeutet dies u.a.

  • die Einschränkung der Versorgung auf „akute Erkrankungen und Schmerzzustände“
  • kein Zugang zu Fachärzt*innen oder Therapeut*innen
  • kein flächendeckender und bundesweiter Zugang zu einer elektronischen Gesundheitskarte
  • ein bürokratisches und hürdenreiches Verfahren zur Ausstellung von sog. Krankenscheinen
  • keine Finanzierung von Sprachmittlung.

Ein Großteil der Berichterstattung und die Darstellung der Bundesregierung erwecken den Eindruck, dass der Zugang zur Gesundheitsversorgung für Ukrainer*innen ohne Probleme und vollumfänglich möglich ist. Defacto verweigern die Sozialbehörden Geflüchteten aber immer wieder notwendige Leistungen: Sachbearbeiter*innen bei den Sozialämtern, in der Regel ohne medizinische Fachkenntnisse, entscheiden über die Bewilligung von Gesundheitsleistungen und bescheiden viele Anträge aufgrund fehlender Fachkenntnis negativ, auf Kosten der Gesundheit der Menschen.

Auch Ärzt*innen kennen das Versorgungssystem und die gesetzlichen Grundlagen für traumatisierte Geflüchtete oft nicht und lehnen deshalb z.T. Behandlungen ab. Die Ablehnung erfolgt auch, da die Kostendeckung nicht klar ist.

Dies führt bei Geflüchteten zu Angst und Gefühlen des Ausgeliefertseins, etwa gegenüber Mitarbeiter*innen des Sozialamtes und im schlimmsten Fall zur Chronifizierung und Verschlechterung von Krankheitsbildern. Auch der fehlende gesetzliche Anspruch auf Sprachmittlung verhindert eine angemessene Versorgung. Dies kann dazu führen, dass psychische Erkrankungen sich chronifizieren oder verschlechtern. Sprachmittlung ist notwendig, um sprachbasierte Beratungs- und Behandlungstermine überhaupt wahrnehmen zu können.

Die Diskriminierung im Zugang zum Gesundheitssystem kritisieren wir schon lange. Menschen, die Schutz und Sicherheit in Deutschland suchen, werden größtenteils von den Leistungen der Regelversorgung ausgeschlossen. Diesem Bedarf versuchen die Psychosozialen Zentren in Deutschland nachzukommen. Sie versorgen jährlich etwa 25.000 Personen; sie können aber nur einen kleinen Teil des eigentlichen Bedarfs abdecken. Die Finanzierung der Psychosozialen Zentren, einer der zentralen Säulen in der Versorgung traumatisierter Geflüchteter, ist schon jetzt prekär. Hier braucht es eine schnelle und unbürokratische Unterstützung von Bund und Ländern, um die Versorgung von traumatisierten Geflüchteten dauerhaft sicherzustellen.

Das Statement als PDF.