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Gesundheit von Schutzsuchenden in Gefahr: Fachverbände zu weiteren Leistungseinschränkungen

Schon diesen Donnerstag könnte der Bundestag Änderungen im Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) beschließen, die geflüchtete Menschen künftig 3 Jahre lang im Zugang zum Gesundheitssystem behindern. Dabei haben Asylsuchende in den ersten 18 Monaten ihres Aufenthalts schon heute keinen Anspruch auf das, was die gesetzlichen Krankenkassen als „medizinisch notwendig“ definieren. Seit nunmehr 30 Jahren erleben Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen in der ambulanten, stationären und psychosozialen Versorgungspraxis, wie gravierend sich sowohl die körperliche Gesundheit als auch die psychische Belastungssituation traumatisierter Geflüchteter verschlechtert, wenn über einen so langen Zeitraum hinweg keine Behandlung erfolgt.

Gesundheitliche Folgen bei der Verdoppelung der Asylleistungsbeschränkungen von 18 auf 36 Monate

Sowohl medizinische, psychotherapeutische und psychosoziale Fachverbände als auch über 200 zivilgesellschaftliche Organisationen weisen die politisch Verantwortlichen deshalb seit Monaten darauf hin, dass weitere Verschärfungen die ohnehin desaströse Versorgungssituation massiv verschlimmern würde. Die nun im Zuge der Gesetzesänderungen zum Rückführungspaket vorgesehene Verdopplung der Bezugszeit für nur eingeschränkte Gesundheits- und Sozialleistungen von 18 auf 36 Monate ist aus fachlicher und menschenrechtlicher Sicht nicht hinnehmbar.

Die BAfF hat deshalb gemeinsam mit 8 weiteren psychiatrisch-psychotherapeutischen Fachverbänden ein Positionspapier veröffentlicht, in dem Abgeordnete aufgefordert werden, die Leistungseinschränkungen zu verhindern und – wie im Koalitionsvertrag gefordert, Gesundheitsleistungen für Geflüchtete wie im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung zu verankern.

Welche Folgen drohen durch die Verlängerung der Leistungseinschränkungen?

  • Wenn Asylsuchende künftig drei Jahre auf einen weitgehend regulären Zugang zum Gesundheitssystem warten müssen, wird ihre psychosoziale Belastungssituation massiv zunehmen – mit Folgen für die Prävalenz psychischer Erkrankungen.
  • Aufgrund der Fokussierung auf Akutversorgung ist mit einer noch stärkeren Inanspruchnahme von psychiatrischen und psychosozialen Notfallstrukturen zu rechnen.
  • Für bereits vorliegende psychische Erkrankungen erhöht sich das Chronifizierungsrisiko deutlich. Daraus entstehen erhebliche direkte und indirekte Folgekosten u. a. durch teurere stationäre Behandlungen sowie infolge zu später Behandlung höhere volkswirtschaftliche Kosten durch Beeinträchtigung der Schul- oder Arbeitsfähigkeit sowie ausbleibende oder erschwerte Integrations- und Teilhabechancen.
  • Es droht ein deutlich erhöhter bürokratischer Aufwand mit Kosten für Verwaltungen der Kommunen.
  • Mit der Verlängerung des Bezugszeitraums der eingeschränkten Gesundheits- und Sozialleistungen wird zudem das von der Bundesregierung eingeführte Instrument der Ermächtigung de facto außer Kraft gesetzt. Einrichtungen, Psychiater*innen und Psychotherapeut*innen, die über diese Regelung abrechnen, dürfen Asylsuchende künftig erst nach drei Jahren in die Therapie aufnehmen. Die ohnehin eklatante Versorgungslücke wird sich durch den Wegfall dieser Behandler*innen-Gruppe weiter vergrößern.

Gesundheit von Schutzsuchenden wird völker- und verfassungswidrig in Gefahr gebracht

Als Teil eines breiten zivilgesellschaftlichen Bündnisses aus NGOs, Wohlfahrtsverbänden, Beratungs- und Versorgungsinitiativen haben wir uns parallel in einem Offenen Brief an Bundeskanzler Scholz und Bundesminister Heil gewandt und mit aller Dringlichkeit dazu aufgerufen, das Vorhaben zu stoppen.

Die Bundesregierung wurde bereits mehrfach von den Vereinten Nationen dafür gerügt, dass Deutschland Asylsuchenden das Recht auf Gesundheitsversorgung verwehrt. Sie nun noch länger zu benachteiligen, ist menschenrechtswidrig und ignoriert die jüngste ausdrückliche Aufforderung des UN-Komitees zur Konvention gegen Rassismus (ICERD), die Ungleichbehandlung im Zugang zu Sozial- und Gesundheitsleistungen zu beenden (08.12.2023).

Auch das Bundesverfassungsgericht hat schon vor über zehn Jahren entschieden, dass die „Menschenwürde…migrationspolitisch nicht zu relativieren“ ist. Der Versuch, die Flucht nach Deutschland zu begrenzen, indem man Geflüchteten den Zugang zu notwendiger Gesundheitsversorgung versagt, ist also nicht nur unwirksam und unmenschlich, sondern auch verfassungswidrig.

Ausgrenzung schadet der gesamten Gesellschaft

Letztlich kommt eine Schlechterbehandlung bei der Gesundheitsversorgung ganzer Bevölkerungsgruppen die Gemeinschaft auch teuer zu stehen. Denn wenn Krankheiten chronifizieren oder zum Notfall werden, kosten sie das Gesundheitssystem mehr, als wenn man sie präventiv oder bei den ersten Symptomen behandelt. Anstatt die Leistungen für Asylsuchende immer weiter zu kürzen, fordern die unterzeichnenden Organisationen deshalb:

  • Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen!
  • Den Anspruch auf alle Gesundheitsleistungen aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen für Geflüchtete gesetzlich verankern
  • Einführung einer elektronischen Gesundheitskarte für Geflüchtete in allen Bundesländern
  • Anspruch auf qualifizierte Sprachmittlung gesetzlich verankern
  • EU-Aufnahmerichtlinie für besonders schutzbedürftige Geflüchtete flächendeckend und systematisch umsetzen

Zum offenen Brief: Gesundheit von Schutzsuchenden in Gefahr

Zum Positionspapier: Gesundheitliche Folgen bei der Verdoppelung der Asylleistungsbeschränkungen von 18 auf 36 Monate