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Wir müssen über Rassismus reden

„Wir müssen reden.“ Dieser Satz steht am Anfang von allem. Heute, am Internationalen Tag gegen Rassismus, wollen wir unsere Publikation „Wir müssen reden. Rassismus thematisieren in mehrheitlich weißen Beratungs- und Therapiestrukturen im Kontext Flucht“ empfehlen: 2016 haben wir als Dachverband der Psychosozialen Zentren für Geflüchtete und Überlebende von Krieg, Folter und Gewalt begonnen, mit geflüchteten Klient*innen, Berater*innen und Psychotherapeut*innen Gespräche darüber zu führen, was die zunehmende öffentliche Sichtbarkeit von Rassismus für die Klient*innen bedeutet. Wie wirkt sich das auf ihr Leben, ihre Sicherheit, ihre Therapie- oder Beratungssituation aus? Was bedeutet es für Berater*innen und Psychotherapeut*innen in den Psychosozialen Zentren für Geflüchtete (PSZ), ihre Arbeit in dieser gesellschaftlichen Stimmung und in mehrheitlich weißen Strukturen auszuüben?

Wie kann ich meiner Klientin vermitteln, dass sie jetzt in Sicherheit ist, […] dass wir versuchen können, […] ihre Gewalterfahrungen […] in der Therapie zu bearbeiten, wenn sie draußen auf der Straße bespuckt wird, wenn sie beleidigt wird, wenn sie sich in der Unterkunft nicht sicher fühlen kann?

Kern der Arbeit der PSZ ist der Anspruch, sichere(re) Räume für geflüchtete Menschen zu schaffen, damit sie über ihre Erlebnisse und Erfahrungen sprechen und psychosoziale Unterstützung erhalten können. Auf Basis eines menschenrechtlichen Ansatzes soll so zumindest ein Stück weit Gerechtigkeit hergestellt werden. Doch oftmals ist eben dieses Herstellen von Sicherheit und Gerechtigkeit ein Problem: Wie kann ein solcher Raum in den PSZ geschaffen werden, wenn in der Gesellschaft zunehmend rassistische und geflüchtetenfeindliche Tendenzen präsent sind? Wenn Geflüchtete und ihre Unterkünfte angegriffen werden? Wie können auch die Mitarbeiter*innen in den Zentren eine rassismus- und diskriminierungskritische Beratungs- und Therapiepraxis ermöglichen? Die Machtstrukturen in den PSZ sowie eigene Privilegien und Positionen in der Gesellschaft reflektieren und abbauen?

Rassistische Strukturen und Privilegien reflektieren

Es gilt, nicht nur gesellschaftliche und institutionelle Strukturen zu kritisieren – denn auch die (psychosozialen) Hilfesysteme, welche explizit solidarisch agieren, sind nicht frei von rassistischen Strukturen. Auch Menschen, die sich aktiv gegen Rassismus, Rechtsextremismus und Menschenrechtsverletzungen einsetzen, können Rassismus ungewollt und unbewusst reproduzieren, haben in der Schule und anderen Strukturen rassistisches Wissen verinnerlicht und erfahren in unterschiedlichem Ausmaß Privilegien durch diese gesellschaftliche Strukturierung. Das gilt es zu reflektieren, das eigene Verhalten regelmäßig zu hinterfragen und Veränderungen anzustoßen.

Gerade in der Arbeit in einem zu großen Teilen weißen Arbeitsumfeld, welches sich solidarisch mit Geflüchteten sieht, muss eine fortlaufende und tiefgehende Auseinandersetzung mit Rassismus stattfinden – und das nicht nur heute am Internationalen Tag gegen Rassismus.

Mehr dazu in unserer Publikation (siehe unten) und auf der Themenseite „Wir müssen reden. Rassismus thematisieren in mehrheitlich weißen Beratungs- und Therapiestrukturen im Kontext Flucht“.

Die Publikation „Wir müssen reden“ kann hier als pdf heruntergeladen werden.