Close

Nach der Einigung von Bund und Ländern

Das Leid verdoppeln

Am 7. November 2023 haben sich Bundeskanzler Olaf Scholz und die Ministerpräsident*innen der Länder in Berlin auf ein Paket zu weiteren Asylrechtsverschärfungen geeinigt. Eine der zentralen Maßnahmen soll die Verlängerung des Bezugszeitraums für die deutlich unter dem Existenzminimum liegenden Sozial- und Gesundheitsleistungen für geflüchtete Menschen von 18 auf 36 Monate sein.

„Sollte diese Forderung tatsächlich Gesetz werden, dann verdoppelt sich die Leidenszeit, in der geflüchtete Menschen in ein Leben im Wartezustand gezwungen werden: ohne jede Chance auf eine Behandlung ihrer oft schweren körperlichen und seelischen Folterfolgen. Statt die migrations- und haushaltspolitisch wirkungslosen Einschränkungen im Asylbewerberleistungsgesetz endlich abzuschaffen, wird die Geltungszeit der Einschränkungen nun verdoppelt – samt aller Gesundheits-, Integrations- und Teilhabeverluste, die durch Wissenschaft und Praxis seit 30 Jahren aufgezeigt werden.“

Dipl.-Psych. Jenny Baron | Referentin für Grundsatzfragen

Eine dreijährige Wartezeit auf den gleichberechtigten Zugang zum Gesundheitssystem wird zu noch häufigeren psychischen Krisen, Chronifizierungen und langfristigen Folgen für die Lebensperspektiven der Betroffenen führen. Die Psychosozialen Zentren können geflüchtete Überlebende von Folter, Krieg und Verfolgung nur mit extrem begrenzten Kapazitäten versorgen. Sie unterstützen nur etwa vier Prozent der versorgungsbedürftigen Überlebenden und können ihre  therapeutische Unterstützung schon heute nur in den seltensten Fällen bei den eigentlich verantwortlichen Leistungsträgern im Sozialsystem abrechnen.

Zahlreiche Akteur*innen im Gesundheitssystem, die ihrem universellen Behandlungsauftrag für alle hier lebenden Menschen nachkommen wollen (und müssen), werden nun noch länger ohne sachlichen Grund in der Ausübung ihrer Berufs- und Versorgungsverpflichten behindert. Damit verletzt Deutschland klar seine Verpflichtungen u.a. durch die UN-Antifolterkonvention.

„Die Ausweitung des Asylbewerberleistungsgesetzes steht im klaren Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowie zu diversen Studien, die belegen: Die Integration von geflüchteten Menschen durch dieses Sondergesetz zu verzögern, verursacht enormen bürokratischen Aufwand für Bund, Länder und Kommunen. Das Leid der Betroffenen und die verspielten Chancen für die gesamte Gesellschaft sind in der Konsequenz deutlich teurer als ein gleichberechtigter Zugang zu Sozial- und Gesundheitsleistungen von Tag eins an.“

Lukas Welz | Geschäftsleiter der BAfF

Als Dachverband einer von 47 Behandlungseinrichtungen getragenen Versorgungsstruktur fordern wir die Bundesregierung auf, ihre Asyl- und Integrationspolitik endlich datengestützt, menschenrechtskonform und zukunftsfähig auszurichten.