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Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2021

Am 26. September 2021 ist wieder Bundestagswahl. Wir haben CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, DIE LINKE und FDP Wahlprüfsteine geschickt und darin unsere dringendsten Fragen zur Gesundheitsversorgung von Geflüchteten gestellt.

Die Forderungen der BAfF zur Bundestagswahl 2021

In einem Jahr, in dem Natur- und humanitäre Katastrophen, wie der Klimawandel oder die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan, die Nachrichtenlage beherrschen, sind gleichzeitig so viele Menschen wie noch nie auf der Flucht, laut dem Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) mehr als 82 Millionen Menschen.

Überlebende von Krieg, Folter und Flucht können durch Gewalterfahrungen in ihrem Heimatland und durch die Flucht schwer traumatisiert werden und brauchen unbürokratische Unterstützung in Form von Therapie und psychosozialer Begleitung. Dies ermöglicht auch ein gutes Ankommen und die Integration in Deutschland.

Allerdings müssen wir feststellen, dass Deutschland seinen Verpflichtungen bei der Gesundheitsversorgung von Geflüchteten nicht nachkommt. Die EU-Aufnahmerichtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, besonders schutzbedürftige Geflüchtete, wie zum Beispiel psychisch erkrankte Geflüchtete und Überlebende von Folter, zu identifizieren und angemessen zu versorgen. Die Bedarfe dieser Personengruppen müssen im Asylverfahren und auch in der Unterbringung und bei medizinischen Leistungen berücksichtigt werden. Die notwenigen Maßnahmen zur Erfüllung dieser Verpflichtungen wurden aber bisher nicht umfassend umgesetzt. So besteht kein bundeseinheitliches Konzept zur Identifizierung besonders schutzbedürftiger Personen und der Zugang zu notwendigen Therapien bleibt oftmals verwehrt.

Forderung: Änderung der Anforderungen an Stellungnahmen im Asylverfahren

Schwere Erkrankungen von Geflüchteten werden bisher nicht ausreichend im Asyl- und Aufenthaltsverfahren berücksichtigt, da die Anforderungen an Atteste durch die Asylrechtsverschärfungen der letzten Jahre kaum noch erfüllbar sind. Damit kranke und traumatisierte Geflüchtete nicht abgeschoben werden, fordern wir:

  • Stellungnahmen psychologischer Psychotherapeut*innen müssen im asyl- und aufenthaltsrechtlichen Verfahren wieder berücksichtigt werden
  • Die formellen Anforderungen an Bescheinigungen müssen realistisch von den behandelnden Fachkräften erfüllbar sein
  • Die Ermittlungspflicht muss bei den Behörden liegen
  • Die Kosten müssen von den zur Ermittlung verpflichteten Behörden getragen werden

Forderung: gesetzlicher Anspruch auf Sprachmittlung

Zudem scheitern viele Versuche, Therapieplätze für Geflüchtete bei niedergelassenen Psychotherapeut*innen zu organisieren, an der Sprachbarriere. Kaum jemand ist bereit, Geflüchtete zu behandeln, wenn unklar bleibt, ob und wenn ja wann und wie die Kosten für die Sprachmittlung refinanziert werden. Anträge auf Kostenübernahme für Dolmetscherkosten im SGB XII bzw. im SGB II werden in der Praxis so gut wie nie bewilligt. Noch immer übersetzen deshalb z.B. in Kliniken oft Angehörige, fachfremdes fremdsprachiges Personal oder im schlimmsten Fall die Kinder der Patient*innen. In Psychotherapie und Beratung werden Dolmetschende meist spenden- oder projektgebunden finanziert und können oft nicht angemessen für ihre anspruchs- und verantwortungsvolle Aufgabe honoriert werden.

Die BAfF fordert daher die Sicherstellung von Sprachmittlung in der medizinischen, psychotherapeutischen und psychosozialen Versorgung für Menschen ohne Deutschkenntnisse über einen gesetzlichen Anspruch.

Die Wahlprüfsteine der Parteien

Wir haben den demokratischen Parteien (CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, DIE LINKE und FDP) unsere dringendsten Fragen zur Gesundheitsversorgung von Geflüchteten gestellt. Ihre Antworten zeigen, welche Schritte sie unternehmen möchten, um das Menschenrecht auf Gesundheit in Deutschland für alle Menschen gleichermaßen zugänglich zu machen – unabhängig vom Aufenthaltsstatus oder der Herkunftssprache – oder auch nicht.

Die CDU/CSU hat sich zur Frage der überhöhten Darlegungserfordernisse bei krankheitsbedingten Abschiebehindernissen nicht geäußert. Einen Rechtsanspruch auf Sprachmittlung plant die CDU/CSU nicht.

Die SPD sieht die Frage der Sprachmittlung auf Länderebene verortet und möchte Sprachmittlungspools fördern – einen gesetzlichen Anspruch im SGB V lehnt sie jedoch ab. Auf unsere Frage zu den krankheitsbedingten Abschiebehindernissen ist die SPD nicht eingegangen.

BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN möchten eine Übernahme von qualifizierter Sprachmittlung bei Gesundheitsleistungen ermöglichen und mit einer klaren rechtlichen Regelung festschreiben. Die Grünen wollen die in den vergangenen Jahren vorgenommenen Aushöhlungen des Aufenthalts- und Asylrechts zurücknehmen und sicherstellen, dass psychologisch-psychotherapeutische Expertise wieder berücksichtigt wird.

DIE LINKE setzt sich für eine rechtlich verbindliche Übernahme der Sprachmittlungskosten für Besuche bei Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen im SGB ein. Den Ausschluss psychologisch-psychotherapeutischer Stellungnahmen bezeichnet die Linke als skandalös und verfassungswidrig. Aus Sicht der Linken müssen die rechtlichen Bestimmungen im Kontext der Abschiebung (psychisch) kranker Menschen dringend geändert und am Ziel eines sorgsamen Umgangs und der Vermeidung drohender Gesundheitsverschlechterungen ausgerichtet werden. 

Die FDP hat sich zur Frage, ob die Partei die Schaffung eines Anspruchs auf Sprachmittlung im SGB plant, nicht geäußert. Psychologisch-psychotherapeutische Expertise möchte die FDP bei Entscheidungen im asyl- und aufenthaltsrechtlichen Verfahren wieder berücksichtigen.


Die Antworten der CDU/CSU als PDF

Die Antworten der SPD als PDF

Die Antworten von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN als PDF

Die Antworten von DIE LINKE als PDF

Die Antworten der FDP als PDF