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Bilanz Afghanistan

Afghanistan: Verschleppte Aufnahme und fehlende Verantwortungsübernahme

Vor genau einem Jahr, am 15. August 2021, haben die Taliban die Macht in Afghanistan übernommen. Tausende ehemalige Ortskräfte und weitere gefährdete Menschen warten nach wie vor auf eine Evakuierung nach Deutschland, denn ihr Leben wird akut bedroht.

Hunger, Armut und die andauernde Bedrohung durch das autoritäre Herrschaftsregime der Taliban – das ist die Realität für viele Afghan*innen. Die Aufnahmezusagen durch die Bundesregierung sind bisher noch nicht für alle Menschen eingelöst worden, ihnen droht Folter und Tot.

Bedroht sind Menschen, die den von 2001 bis 2021 laufenden Einsatz der Bundeswehr und anderer deutscher Regierungsstellen unterstützt und damit überhaupt ermöglicht haben. Und bedroht sind diejenigen, die dem Versprechen von Freiheit und Demokratie gefolgt und eine lebendige Zivilgesellschaft aufgebaut haben. Wir tragen für sie alle Verantwortung.

Lukas Welz, Geschäftsleiter der BAfF

In den Augen der Taliban gelten sie als Verräter, werden zu Hause aufgesucht und ihnen wird massive Gewalt zugefügt. Mädchen dürfen nicht mehr in die weiterführende Schule gehen, Frauen müssen sich verhüllen und werden immer weiter in ihren Rechten eingeschränkt. LSBTIQ*-Personen, deren geschlechtliche und sexuelle Identität von Vorstellungen der Taliban abweichen und damit (ungewollt) gelebten Widerstand gegen die islamistische Herrschaft bedeutet, sind ebenfalls weiterhin akut gefährdet.

Viele zivilgesellschaftliche Organisationen haben seit dem letzten Jahr enormes geleistet, um Menschen, die um ihr Leben bangen, eine Hoffnung auf Rettung zu geben. Für besonders gefährdete Gruppen, wie ehemalige Ortskräfte, Menschenrechtsaktivist*innen, überlebende Opfer von Folter und Gewalt und LGBTIQ*-Personen, wird es mit jedem Tag gefährlicher, im Land zu bleiben. Das jetzt von der Bundesregierung geplante Aufnahmeprogramm bietet eine neue Chance. Noch ist jedoch unklar, wie besonders die vulnerablen Menschen, die weder die Sprache haben, noch Dokumente besorgen können, eine Gefährdung über die ‚derzeit herrschende allgemeine Lage in Afghanistan hinausgehende‘ beweisen können. Welches Opfer von Folter kann schon ein Dokument über Folterungen erbringen?  Die verschleppte Evakuierung und das weiter zögerliche Handeln haben lebensgefährliche Konsequenzen für viele Afghan*innen.

Elise Bittenbinder, Vorsitzende der BAfF

Im Koalitionsvertrag hat sich die Bundesregierung auf ein humanitäres Aufnahmeprogramm geeinigt, die Zielsetzung bleibt allerdings hinter den Erwartungen zurück: Pläne des Bundesinnenministeriums sehen vor, dass jährlich nur 5.000 Afghan*innen aufgenommen werden sollen, darunter Journalist*innen oder Lehrer*innen. LGBTIQ*-Personen werden bisher nicht explizit benannt, dabei ist es elementar wichtig, auch diesen Menschen Schutz und Sicherheit in Deutschland zu gewähren. Darüber hinaus wird beim Familiennachzug bisher nur die sogenannte „Kernfamilie“ berücksichtigt.

Die Bundesregierung muss das Bundesaufnahmeprogramm so gestalten, dass möglichst viele akut gefährdete Afghan*innen davon profitieren können, außerdem braucht es sichere Fluchtwege in die Nachbarstaaten und unbürokratische Visaverfahren, da beispielsweise Frauen teilweise nicht mehr in Besitz eines Passes und somit ohne notwendigen Identitätsnachweis sind.


Die Pressemitteilung als PDF.