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Flucht & Gewalt. Psychosozialer Versorgungsbericht Deutschland 2022

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Beschreibung

Deutschland kommt seinen eigenen Verpflichtungen nicht nach.

Die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF) stellt seit Jahren fest, dass Deutschland seinen eigenen Verpflichtungen aus internationalen Verträgen (u.a. Allg. Erklärung der Menschenrechte Art 25, UN Sozialpakt Art 12, UN-Antifolterkonvention (Allg. Bemerkungen Nr. 3), Europäische Sozialcharta Art 11, Charta der Grundrechte der EU Art 35 und die EU-Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU Art 19) bezüglich der Aufnahme und Versorgung schutzsuchender Menschen nicht angemessen nachkommt. Viele geflüchtete Menschen leben in Deutschland weiterhin jahrelang ohne sichere Bleibeperspektiven und unter teilweise menschenunwürdigen Verhältnissen in Massenunterkünften ohne soziale Anbindung und Teilhabemöglichkeiten. Besonders für Menschen, die traumatische Ereignisse erlebt haben, sind diese Umstände unangemessen und können dazu beitragen, dass sich ihr gesundheitlicher Zustand verschlechtert.

Geflüchteten Menschen fehlen angemessene Zugänge zur Gesundheitsversorgung.

Für geflüchtete Menschen bestehen in Deutschland erhebliche Zugangsbarrieren zum öffentlichen Gesundheitssystem. In den ersten 18 Monaten nach ihrer Ankunft haben sie nur im Falle akuter Erkrankungen und Schmerzzustände Anspruch auf eine medizinische Behandlung. Darüber hinaus verhindern Sprachbarrieren oftmals den Zugang zu Versorgung. Die Nicht-Behandlung gesundheitlicher Beschwerden führt häufig dazu, dass diese sich chronifizieren – mit erheblichen Folgekosten nicht nur für die betroffenen Personen, sondern auch für das Gesundheitssystem und die gesamte Gesellschaft.

Das Angebot der Psychosozialen Zentren (PSZ).

Die PSZ stellen ein spezialisiertes multiprofessionelles Angebot für Menschen mit Flucht- und Foltererfahrungen bereit. Derzeit organisieren sich 47 PSZ unter dem Dach der BAfF. Die PSZ verfolgen einen psychosozialen Menschenrechtsansatz, d.h. Menschenrechtsprinzipien wie Menschenwürde, Diskriminierungsfreiheit, Gendergerechtigkeit und Kultursensibilität bestimmen ihre Arbeit. Geflüchtete Menschen werden als Expert*innen ihres eigenen Lebens verstanden und dabei unterstützt, für ihre Rechte einzutreten und mit den psychosozialen Folgen von Flucht, Gewalt und Folter umzugehen. Das geschieht etwa durch soziale und berufliche Anbindung, Aktivismus, Beratung und Therapieangebote.

Im Jahr 2020 wurden durch die PSZ 19.352 Klient*innen versorgt. Über die Jahre ist deren Anzahl kontinuierlich gestiegen. Zwei Drittel der Klient*innen besaßen einen unsicheren Aufenthaltsstatus (Aufenthaltsgestattung oder Duldung) und damit keine klare Bleibeperspektive in Deutschland.

Die Finanzierung der PSZ ist äußerst prekär und erfolgt zum größten Teil aus zeitlich begrenzten Fördermitteln. 2020 stammte der größte Anteil der Gelder aus Landesmitteln (43,3 %). Der Bund (8,9 %) und die Kommunen (9,6 %) waren ungefähr in gleicher Höhe an der Förderung beteiligt. Die Kostenübernahme von Therapien über das Asylbewerberleistungsgesetz, SGB V und SGB VIII, bildete lediglich 3,7 % der Gesamtfinanzierung der PSZ ab.

Forderungen:

Die BAfF fordert grundlegende strukturelle Veränderungen, damit die Bedarfe schutzsuchender Menschen angemessen bedient werden können. Zu diesen zählen:

  • diskriminierungsfreie Teilhabemöglichkeiten geflüchteter Menschen in allen gesellschaftlichen Bereichen;
  • eine Krankenkassenkarte für alle geflüchteten Personen von Anfang an in allen Bundesländern, damit sie das öffentliche Gesundheitssystem mit denselben Ansprüchen wie gesetzlich Versicherte nutzen können;
  • die Verstetigung bedarfsgerechter Hilfen für Überlebende von Flucht und Gewalt durch die PSZ durch flächendeckende und nachhaltige Finanzierung von Bund und Ländern;
  • eine allgemeine Finanzierung von Sprachmittlung im sozialen, rechtlichen und gesundheitlichen Bereich für Menschen ohne Deutschkenntnisse über einen gesetzlichen Anspruch, vergleichbar mit dem Gebärdendolmetschen;
  • die Fortbildung von Fachkräften im Gesundheits-, Sozial-, Rechts- und Behördenwesen in diskriminierungskritischer und traumasensibler Arbeit im Kontext Flucht und Menschenrechtsverletzungen u.a. durch Integration dieser Themen in Ausbildungscurricula.

Der Versorgungsbericht kann auch als PDF heruntergeladen werden.

Zusätzliche Informationen

Gewicht 186 g