Close
© fzfofklenz / pixabay.de

Barrieren im Zugang zu psychotherapeutischer Unterstützung

Geflüchtete, die psychotherapeutische Unterstützung benötigen, treffen auf ihrem Weg zur therapeutischen Behandlung auf eine Reihe von Barrieren. Manche legen einen regelrechten Marathon durch Arztpraxen und Kliniken, zu psychiatrischen Ambulanzen und Psychosozialen Behandlungszentren hin.

Vor allem strukturelle Barrieren behindern die Betroffenen bei der Inanspruchnahme professioneller psychosozialer Unterstützung – etwa die Bewilligungspraxis der Leistungsträger (Sozialamt, Krankenkassen, Jugendamt), begrenzte Behandlungsressourcen sowie die Beschränkungen der Autonomie und Bewegungsfreiheit durch das Asylrecht, wie auch eingeschränkte Erreichbarkeit von Behandlungsangeboten. Für viele erkrankte Geflüchtete bedeutet der eingeschränkte Behandlungsanspruch nach Asylbewerberleistungsgesetz, dass sie bei gesundheitlichen Beschwerden nicht direkt eine*n Ärzt*in konsultieren können. Durch langwierige bürokratische Prüfungsverfahren werden Behandlungen oft verschleppt bzw. erst sehr verzögert ermöglicht. Psychotherapien werden häufig trotz medizinischer Indikation abgelehnt. Werden notwendige Behandlungen gar nicht bewilligt, kann dies die Chronifizierung von körperlichen wie auch psychischen Krankheiten und nicht wiedergutzumachende Folgeschäden nach sich ziehen.

Aktuelle Zahlen zu strukturellen Barrieren im Zugang zur psychotherapeutischen Versorgung sind in den jährlichen Versorgungsberichten der BAfF e.V. zu finden.

Neben den strukturellen Barrieren gibt es auch noch Hürden im Bereich der Kommunikation und Interaktion, die den Zugang zu bedarfsgerechten Angeboten einschränken. In den allermeisten Fällen sprechen geflüchtete Personen und Behandler*innen verschiedene Muttersprachen. Wenn Kommunikation in einer gemeinsamen Sprache wie Englisch oder Französisch möglich ist, erfolgt sie oft nur sehr rudimentär auf einem insbesondere für eine Psychotherapie nicht ausreichenden Niveau. Hier braucht es eine Sprachmittlung. Psychotherapien mit Sprachmittler*innen bei traumatisierten Geflüchteten sind genauso wirksam, wie Psychotherapien, in denen keine Sprachmittlung benötigt wird. In der Praxis sind jedoch häufig keine für das psychotherapeutische Setting geschulte Sprachmittler*innen verfügbar oder die Abrechnung der Sprachmittlungskosten ist nicht möglich. Vor allem im stationären Kontext in Kliniken werden deshalb noch immer häufig ungeschulte Laien- oder Ad-hoc-Sprachmittler*innen zu Hilfe gezogen: fachfremdes Personal oder auch mitgebrachte Bekannte und allzu oft auch die Kinder der Betroffenen. Dies allerdings erhöht das Risiko für Fehlbehandlungen enorm oder es werden nahestehende (angehörige) Personen durch das Übersetzen sehr belastender Inhalte überfordert und selbst belastet oder auch Details von Traumatisierungen, z. B. sexualisierter Gewaltvorfälle werden aus Scham nicht erwähnt.

Mehr Informationen zu Sprachmittlung im Anhang oder bei:
Schriefers, S. & Hadzic, E. (Hrsg) (2018): Sprachmittlung in Psychotherapie und Beratung mit geflüchteten Menschen. Wege zur transkulturellen Verständigung.

Sprachmittler*innen können aber nicht nur bei sprachlichen, sondern auch bei kulturellen Barrieren unterstützen und sind oftmals neben Sprach- auch Kulturmittler*innen. Häufig werden aufgrund der unterschiedlichen Vorstellungen von Krankheit und Heilung, Reaktionen auf traumatische Erlebnisse gar nicht als „Krankheitssymptome“ im Sinne einer westlichen Medizin begriffen. Ein Mann, der 20 Jahre die Misshandlungen und Folterungen in einem türkischen Gefängnis erdulden musste, beantwortete die Frage, warum er sich nicht psychotherapeutische Hilfe gesucht hatte, wie folgt: „Ich wusste gar nicht, dass ich an etwas leide, das man behandeln kann“. Diese kulturellen Barrieren (oder also solche interpretierte) lassen sich überwinden, wenn man sich darüber bewusst ist, dass das eigene Wissen und die eigene Erfahrung im interkulturellen Kontext nur eingeschränkt tauglich sind. Eine Haltung des „Nicht-Wissens“ und daher „Erfragen-Müssens“ entlastet. Denn so kommt man gar nicht erst in die Versuchung die unerreichbare Rolle des/der Expert*in für Kultur und Sprache anzunehmen. Wissen und Informationen sind hilfreich, können aber auch dazu verleiten, vermeintlich bewährte Kategorien und Vorgehensweisen zu ausschließlich anzuwenden. Durch die Vermittlung von Offenheit, Wertschätzung und Respekt entsteht der Raum für einen gemeinsamen Verstehens- und Heilungsprozess.

Dieser Text ist zuerst erschienen im Praxisleitfaden „Traumasensibler und empowernder Umgang mit Geflüchteten“