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Afghanische Ortskräfte und Aktivist*innen im Stich gelassen: Bundesregierung wird Verantwortung nicht gerecht

Die tragischen Gewalttaten in Aschaffenburg und München werden politisch instrumentalisiert, um Abschiebungen nach Afghanistan zu rechtfertigen. Dabei droht die Verantwortung der Bundesregierung für die Gefährdung vieler Afghan*innen, die als Ortskräfte die Bundeswehr unterstützten, in Vergessenheit zu geraten. Rassistische Diskurse gefährden den Zusammenhalt unserer Einwanderungsgesellschaft.

Diese Woche übergab der Afghanistan-Untersuchungsausschuss seinen Abschlussbericht an das Bundestagspräsidium. Die Ergebnisse machen deutlich, dass vor allem die fehlende Koordination zwischen deutschen Ministerien sowie zwischen Deutschland und den anderen am Einsatz beteiligten Ländern für den desaströsen Abzug im Sommer 2021 verantwortlich war.

Ortskräfte, die den Einsatz der Bundeswehr ermöglichten, sowie Menschenrechtsaktivist*innen, die den Versprechen der internationalen Gemeinschaft vertrauten und sich für den Aufbau eines demokratischen Staates einsetzten, wurden im Stich gelassen. Das Aide-Mémoire des Forum Menschenrechte zur Menschenrechtslage in Afghanistan zeichnet ein dramatisches Bild: neben den massiven Repressionen des Taliban-Regimes bedroht die humanitäre Krise besonders Frauen und Mädchen, LSBTIQ*-Personen sowie ethnische Minderheiten akut (https://www.forum-menschenrechte.de/aide-memoires-2024/, S. 7 ff.). Auch Ortskräfte und ihre Angehörige werden systematisch durch die Taliban verfolgt.  


Wiederholt im Stich gelassen


Das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan (BAP), das als Ausdruck der besonderen Verantwortung Deutschlands gegenüber der afghanischen Bevölkerung geschaffen wurde, ist Ende 2024 ohne Abstimmung mit den beteiligten Akteur*innen beendet worden (https://www.forum-menschenrechte.de/aide-memoires-2024/, S. 97 ff.).

Der Verantwortung ist Deutschland nicht im Ansatz gerecht geworden: Bisher konnten lediglich 1.172 Afghan*innen darüber nach Deutschland einreisen. Angekündigt war jedoch, dass 1.000 Personen pro Monat aufgenommen werden, nach 28 Monaten seit der Einführung des Programms müssten es also 28.000 Personen sein.


Gewalttaten einzelner Menschen dürfen nicht politisch instrumentalisiert werden


Die Verantwortung der Bundesregierung für gefährdete Afghan*innen droht in Vergessenheit zu geraten. Gleichzeitig werden im Nachgang der tragischen Gewalttaten in Aschaffenburg und München verstärkt Abschiebungen nach Afghanistan gefordert.

Hierbei werden Sachverhalte vermischt, die nicht zusammengehören. Die Gewalttaten der Täter in Aschaffenburg und München müssen faktenbasiert untersucht und aufgearbeitet werden, damit in Zukunft solche Ereignisse bestmöglich verhindert werden können. Hierfür gibt es in Deutschland rechtsstaatliche Verfahren. Die Täter stehen in keinem Zusammenhang mit afghanischen Schutzsuchenden, die selbst vor solcher Gewalt nach Deutschland geflüchtet sind. Die Abschiebungen nach Afghanistan würden bedeuten, mit den Taliban zu verhandeln – eine inakzeptable Legitimation ihres Regimes.

Yukako Karato, Referentin für Versorgungsanalyse der BAfF

Die Angehörige der Todesopfer aus München haben sich bereits an die Öffentlichkeit gewandt mit der Bitte, „dass der Tod und der Verlust nicht benutzt werden, um Hass zu schüren und ihn politisch zu instrumentalisieren“.


Wir möchten uns diesem Plädoyer anschließen, auch in Solidarität mit den vielen Schutzsuchenden, die vermehrt in den letzten Wochen Opfer rassistischer Ressentiments geworden sind. Gemeinsam verteidigen wir unsere vielfältige und demokratische Einwanderungsgesellschaft. 

Hintergrund:

Die BAfF ist der Bundesverband der aktuell 51 Psychosozialen Zentren für geflüchtete Menschen und Folterüberlebende in Deutschland und Mitglied im Forum Menschenrechte.


zur Pressemitteilung als pdf


Pressekontakt:

Marie-Claire Wygand | Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit | 0162 54 24 624 | presse@baff-zentren.org

BAfF e. V.
Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer

The German Association of Psychosocial Centres for Refugees and Victims of Torture
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