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Versorgungsbericht. Zur psychosozialen Versorgung von Flüchtlingen und Folteropfern in Deutschland. 2. aktualisierte Auflage

Versorgungsbericht 2015Gesundheitliche Versorgung für Geflüchtete wird in Deutschland nach wie vor nach dem Prinzip des Flickenteppichs organisiert. Der Bund hat den Ländern freigestellt, ob und in welcher Form Asylsuchende eine „Gesundheitskarte“ erhalten können. Wo diese Möglichkeit letztlich genutzt wird und welche Versorgungsangebote dadurch für erkrankte Geflüchtete tatsächlich zugänglich werden – das bleibt also auch in Zukunft Verhandlungssache. In Zeiten steigender Flüchtlingszahlen, überhitzter öffentlicher Debatten und überforderter Verwaltungsapparate eröffnet sich damit großer Spielraum. Spielraum, der zulässt, das Menschenrecht auf Gesundheit immer wieder zugunsten migrationspolitischer Interessen zu relativieren. So geschehen in Sachsen und Bayern, wo die Gesundheitskarte am Ende dem Argument erlag, sie sei lediglich ein weiterer Anreiz, der Menschen motiviere, hier in Deutschland Asyl zu suchen.

Um die EU-Aufnahmerichtlinie steht es ähnlich. Eigentlich ist Deutschland durch diese Richtlinie verpflichtet, besonders vulnerable Asylsuchende, wie es z.B. Opfer schwerer Gewalt oder auch psychisch erkrankte Personen sind, als solche zu identifizieren und sie angemessen medizinisch und psychosozial zu versorgen. Die Frist für die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht ist im Sommer 2015 abgelaufen. Doch bis heute gibt es für die Umsetzung in Deutschland weder ein Konzept, noch Aussagen dazu, ob und wenn ja von wem dafür finanzielle Ressourcen zur Verfügung gestellt werden sollen. Ein Referentenentwurf zur Umsetzung der Richtlinie wurde verfasst, um kurz darauf wieder im Nichts zu verschwinden. Auch hier das Argument: Keine weiteren Anreize mehr, die Menschen auf die Idee bringen könnten, sich auf den Weg nach Deutschland zu machen. Auch die besondere Situation von Menschen, die in ihren Herkunftsländern durch Krieg, Folter oder andere schwere Menschenrechtsverletzungen traumatisiert worden sind, wird also zur Verhandlungsmasse für asylpolitische Kompromisse. Sie bleibt der gesundheitspolitischen Diskussion entzogen und damit in der Praxis in den Händen nicht-staatlicher Initiativen.

Diese Initiativen versuchen seit Jahrzehnten Versorgungsdefizite mit bedarfsorientierten, niedrigschwelligen Behandlungsangeboten aufzufangen – in aller Regel außerhalb des Gesundheitssystems. Im Bereich der spezialisierten psychosozialen Versorgung übernehmen diese Aufgabe vor allem die Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer. Bundesweit engagieren sich inzwischen 32 dieser von gemeinnützigen Vereinen getragenen Beratungs- und Behandlungszentren dafür, Versorgungslücken im Bereich Psychotherapie und psychosoziale Arbeit zu schließen – spenden- und projektfinanziert und daher mit stark begrenzter Kapazität und allzeit unsicherer Perspektive.

Mit dieser Publikation aktualisiert die BAfF ihren ersten bundesweiten Bericht zur psychosozialen Versorgung Geflüchteter in Deutschland mit einer zweiten Auflage. Auf Grundlage einer aktualisierten Datenbasis[1] zur Versorgungssituation in den Zentren überprüft der Bericht, inwiefern vorhandene Versorgungsangebote für Geflüchtete verfügbar, zugänglich und tatsächlich erreichbar sind. Er schließt mit Empfehlungen für gesundheits- und sozialpolitische Interventionen, die aus diesen Analysen folgen sollten.

 

Der Versorgungsbericht in seiner aktualisierten Form kann hier heruntergeladen werden.

 

[1] Die Datenbasis dieses Versorgungsberichtes bezieht sich auf die Situation in den Zentren zum Abschluss des Jahres 2014. Im Jahr 2015 sind vier weitere, neue Einrichtungen der BAfF beigetreten. Zugleich hat sich mit dem Anstieg der Flüchtlingszahlen die Situation vielerorts verändert. Aktuelle Daten zur Versorgungssituation 2015 werden im Sommer 2016 veröffentlicht.