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(Keine) Behandlung mit der Ermächtigung

Eineinhalb Jahre nachdem die Ärzte-Zulassungsverordnung geändert wurde und mit §31 Abs. 1 S. 2 der Ärzte-ZV eine Regelung eingeführt wurde, nach der sich TherapeutInnen und ÄrztInnen speziell für die Behandlung von Geflüchteten ermächtigen lassen können, verfügt die BAfF jetzt über aktuelle Daten und Ergebnisse, wie sich diese Neuregelung der Ermächtigung in der Praxis auf die psychotherapeutische Versorgungssituation von traumatisierten, psychisch kranken Geflüchteten auswirkt. Die BAfF hat eine bundesweite Umfrage durchgeführt sowie zahlreiche Gespräche mit TherapeutInnen sowie Psychosozialen Zentren, die eine Ermächtigung erhalten haben, geführt. Im Ergebnis zeigt sich, dass mit der Ermächtigung – entgegen dem eindeutigen Anliegen ihrer Einführung – die psychotherapeutische Versorgung für Geflüchtete nicht verbessert werden konnte.

Insgesamt wurden bundesweit nur 90 Ermächtigungen erteilt, die sich insbesondere auf drei Bundesländer konzentrieren: Allein in Berlin wurden etwa ein Drittel aller Ermächtigungen erteilt, gefolgt von Baden-Württemberg (21%) und NRW (15%). In den anderen Bundesgebieten wurden nur vereinzelt bis gar keine Ermächtigungen beantragt bzw. zuerkannt. Die TherapeutInnen, die eine Ermächtigung erhalten haben, sitzen zu einem großen Anteil in leeren Praxen und können nur vereinzelt geflüchtete PatientInnen behandeln, obwohl der Bedarf und die Nachfrage nach Behandlung sehr hoch sind.

Dieser Umstand ist insbesondere begründet durch die einschränkenden Rahmenbedingungen, an die die Behandlung im Rahmen der Ermächtigung gebunden ist, nämlich den Bezug von Leistungen nach §2 AsylbLG. In der Praxis bedeutet das, dass Geflüchtete erst ab dem 15. Monat des Aufenthaltes in Deutschland und bis zum Abschluss des Asylverfahrens oder bis zur Aufnahme einer Arbeit oder Ausbildung im Rahmen der Ermächtigung behandelt bzw. die Behandlung abgerechnet werden kann. Das Zeitfenster einer Behandlung ist durch diese Bedingungen extrem eingeschränkt.

„Es melden sich immer wieder Geflüchtete auf der Suche nach einem Therapieplatz. Ich habe aber keine PatientInnen in Behandlung, da die Kriterien für die Behandlung mit der Ermächtigung so eng gefasst wurden.“ (TherapeutIn Berlin).

Laufende Therapien müssen ohne Übergangsmöglichkeiten unmittelbar abgebrochen werden, sobald der Patient oder die Patientin einen gesicherten Aufenthaltsstatus erhält oder einen Arbeitsplatz findet. Dabei benötigen insbesondere schwer traumatisierte PatientInnen einen stabilen und sicheren Rahmen für die Behandlung.

Hinzukommend binden einige der Kassenärztlichen Vereinigungen die Ermächtigung daran, dass sie ausschließlich zur Fortführung von Therapien vorgesehen ist, die in den ersten 15 Monaten begonnen wurde. In der Praxis gibt es nahezu keine Patientinnen und Patienten, die diese Voraussetzungen erfüllen. Nach wie vor gibt es bundesweit keine verbindliche und zeitnahe Regelung zur Übernahme von Sprachmittlungskosten. Dies behindert und verunmöglicht zum Teil die Einleitung notwendiger Behandlung. „Fünf von sechs Behandlungen sind mit Dolmetscher. Es sind Rechnungen seit vielen Monaten offen.“

Im Ergebnis führen diese Einschränkungen dazu, dass ein Großteil der geflüchteten Menschen mit Behandlungsbedarf von der psychotherapeutischen Versorgung über die Ermächtigung ausgeschlossen bleibt. Die Ermächtigung verfehlt ohne weitere Änderungen die erhoffte Wirkung und läuft ins Leere. Es bedarf insbesondere Veränderungen in der Gesetzgebung, um die psychotherapeutische Versorgungssituation in der Praxis zu verbessern. Dazu gehören Regelungen zur Übernahme von Sprachmittlungskosten, ein veränderter Geltungsrahmen der Ermächtigung sowie Standards und Regelungen zur Übernahme von Therapie- und Sprachmittlungskosten im Rahmen des Asylbewerberleistungsgesetzes.

Eine ausführliche Beschreibung der Versorgungssituation im Rahmen der Ermächtigung, damit verbundenen Barrieren sowie konkrete Ansätze der Problemlösung der BAfF können der Stellungnahme entnommen werden.

(Die Stellungnahme als pdf)