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Welttag der Suizidprävention: psychosoziale Unterstützung für Geflüchtete sicherstellen

Jährlich sterben etwa 10.000 Menschen in Deutschland durch Suizid, häufig ausgelöst durch depressive Erkrankungen. Traumatische Erfahrungen durch Krieg, Folter und Flucht können Auslöser für eine erhöhte Suizidalität sein. Über Suizidversuche und vollendete Suizide unter geflüchteten Menschen gibt es wenig offizielle Daten. Unter Professionellen, die mit geflüchteten Menschen arbeiten ist aber bekannt, dass das erfahrende Leid im Kontext der Fluchterfahrung und die schwierige Aufenthalts- und Unterbringungssituation geflüchtete Menschen oftmals verzweifeln lässt. Dadurch entsteht ein erhöhtes Risiko der Zuspitzung von Krisensituationen und somit von Suizidversuchen und vollendeten Suiziden.

Die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF e.V.) fordert daher zum Welttag der Suizidprävention am 10. September, die psychosoziale Versorgung von Geflüchteten sicherzustellen und einen angemessenen Zugang zum Gesundheitssystem zu ermöglichen.

Psychosoziale Zentren für Flüchtlinge und Überlebende von Krieg, Folter und Flucht bieten ein breites Angebot, um geflüchtete Menschen auch in suizidalen Krisen zu unterstützen. Wird eine akute Suizidalität festgestellt, versuchen die Mitarbeiter*innen die Klient*innen an Krankenhäuser zu vermitteln. Durch das Fehlen von flächendeckender Sprachmittlung in der Gesundheitsversorgung ist dies oftmals nicht möglich.

Geschichten aus der Praxis

Es liegen Berichte von Therapeut*innen vor, die deutlich machen, dass suizidal gefährdeten Personen nicht ausreichend geholfen werden kann, wenn es keine Möglichkeit der Sprachmittlung in der Gesundheitsversorgung gibt.

Silvia Schriefers, Psychotherapeutin in einem psychosozialen Zentrum in Berlin, sagt:

Eine Klientin aus Kamerun war akut suizidal, sodass ich den Krankenwagen gerufen habe, um sie ins Krankenhaus einweisen zu lassen. Ich bin mit ihr gefahren und sie wurde im Krankenhaus aufgenommen. Alle Mitarbeitenden auf der Station waren sehr bemüht, aber da nur einige Mitarbeitende Englisch sprachen, konnten ihr nicht regelmäßig Einzelgespräche angeboten werden. Ich habe versucht sie im Anschluss an die Tagesklinik anzubinden. Das war leider nicht möglich, weil die Sprache für alle Angebote dort Deutsch war und es eine Voraussetzung für die Aufnahme war, dass die Klienten an allen Angeboten teilnehmen können. Sie wurde dann nach einigen Tagen aus der Klinik entlassen.

Die Verschärfungen des Asylrechts haben dazu geführt, dass für Geflüchtete u.a. der Schutz vor Abschiebungen auf Grund von psychischer Erkrankung eingeschränkt wurde. Ein unsicherer Aufenthaltsstatus führt zu Auswegs- und Perspektivlosigkeit und macht es für viele Betroffene unmöglich, Trauer und Schmerz angemessen verarbeiten zu können. Bevorstehende Abschiebungen bedeuten für die Betroffenen eine krisenhafte Zuspitzung und können damit ein erhöhtes Suizidrisiko darstellen.

Lukas Welz, Geschäftsführer der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft Psychosoziale Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF) e.V., sagt:

Der Suizid-Präventionstag ist Gedenktag und Mahnung zugleich. Wir beobachten derzeit eine massive Verschlechterung der psychischen Gesundheit sowie der Reaktivierung von Traumata vieler afghanischer Geflüchteter in Deutschland. Der Bedarf an psychosozialer Unterstützung steigt, gleichzeitig gibt es nicht genügend Versorgungskapazitäten. Durch Asylrechtsverschärfungen und ausbleibender Hilfe steigt die Gefahr der Suizidalität bei Überlebenden von Krieg, Folter und Flucht. Die nächste Bundesregierung muss den Verpflichtungen Deutschlands nachkommen und mit dem Ausbau der psychosozialen Versorgung und der Rücknahme der Asylrechtsverschärfungen diesen Herausforderungen gerecht werden.


Pressekontakt: Isabelle Hindenberg, isabelle.hindenberg@baff-zentren.org oder unter 01575 87 57 826