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Das Bild hat einen orangefarbenen Hintergrund und als Text steht: Solidarität mit allen Schutzsuchenden aus der Ukraine

Solidarität mit allen Schutzsuchenden aus der Ukraine

Aufruf zur Gleichbehandlung aller aus der Ukraine geflohenen Menschen

Die Solidarität mit allen Menschen, die aus der Ukraine flüchten mussten, scheint ein trauriges Ende erreicht zu haben. Die Entrechtung und Diskriminierung von Drittstaatsangehörigen aus der Ukraine werden sich ab dem 1. September 2022 weiter massiv verschärfen.

Am 31. August 2022 endet die Ukraine-Aufenthalts-Übergangsverordnung, durch die Menschen aus der Ukraine unabhängig ihrer Staatsangehörigkeit legal ohne Visum nach Deutschland einreisen und sich ohne Aufenthaltserlaubnis aufhalten durften. Diese Verordnung wurde nun zum zweiten Mal verlängert, allerdings mit abgeändertem Inhalt: Für Neueingereiste gilt ab dem 1. September 2022 der legale visafreie Aufenthalt nur noch für drei Monate ab dem Tag der Einreise. Wer nicht unter den Schutz von § 24 des Aufenthaltsgesetzes fällt, hat ab sofort ein ernsthaftes Problem.

Konkret betrifft diese Änderung Angehörige von Drittstaaten, die ihren Lebensmittelpunkt in der Ukraine hatten. Auch diese Menschen waren gezwungen aus der Ukraine zu fliehen, konnten in dem Zeitraum seit März 2022 aber keinen Aufenthaltszweck generieren, den das deutsche Aufenthaltsrecht nun plötzlich von ihnen verlangt. Das heißt sie konnten z.B. keine Arbeit und keinen Studien- oder Ausbildungsplatz finden. Stattdessen sollen sie nun gezwungen werden, in das Land ihrer Staatsangehörigkeit zurückzukehren.

Und dies erfolgt, obwohl sie vergleichbar enge Bindungen zur Ukraine haben wie ukrainische Staatsangehörige. Sie durften legal in der Ukraine leben und arbeiten – in Deutschland wird ihnen dieses Recht jetzt verwehrt und sie werden auf ihr vermeintliches Herkunftsland verwiesen, egal welche Konsequenzen diese Rückkehr für sie bedeutet.

In den Psychosozialen Zentren unterstützen wir Geflüchtete aus den unterschiedlichsten Herkunftsländern dabei, sich nach ihrer Flucht zu stabilisieren. Wir sehen täglich auch Drittstaatsangehörige, die durch den Krieg in der Ukraine psychisch belastet sind. Zum Teil haben sie auf der Flucht zusätzlich Rassismus und Gewalt erlebt. Was sie wollen, ist, die Angst und die Ungewissheit der letzten Monate endlich hinter sich zu lassen. Auch sie haben Lebens-, Bildungs- und soziale Perspektiven verloren und sind nun hier in Deutschland ein weiteres Mal dabei, sich trotz allem neue Perspektiven aufbauen zu wollen.

Lukas Welz, Geschäftsleiter der BAfF

Die Beschlüsse der EU sehen eigentlich die Anerkennung des Kriegsflüchtlingsstatus auch für solche nichtukrainische Staatsangehörige vor, die entweder bedeutsame Verbindungen zur Ukraine („meaningful links“) haben oder für die eine dauerhafte und sichere Rückkehr in ihr Herkunftsland unzumutbar ist. Doch die deutschen Regelungen ignorieren bisher den Bezug dieser Menschen zur Ukraine. Die Betroffenen werden damit in Deutschland in die Illegalität gedrängt, obwohl deutschlandweit eine breite Solidarität mit Menschen aus der Ukraine bekundet wurde.

Mit den Neuregelungen werden diese Menschen nun aber im Stich gelassen. Dabei unterscheiden sich ihre Verluste und Belastungen durch den Krieg genauso wenig von denjenigen ukrainischer Staatsbürger*innen, wie die Potentiale, mit denen sie sich hier einbringen wollen. Sie hatten Gründe, ihre Herkunftsländer für ein Leben in der Ukraine zu verlassen. Und ihnen muss hier die gleiche Sicherheit und Schutz vor einer Rückkehr zustehen, wie sie für alle anderen aus der Ukraine geflohenen Menschen auch gelten.

Lukas Welz, Geschäftsleiter der BAfF

Geflüchtete befinden sich ohnehin bereits in sehr prekären Situationen, weil ihnen eine eigene Versorgung in der Regel nicht möglich ist; sei es mangels eigenen Vermögens, familiärer Beziehungen oder ausreichender Sprachkenntnisse. Menschen mit Fluchterfahrung haben ein Recht auf Schutz und Sicherheit. Mit dem Ende des legalen Aufenthaltes werden viele Menschen aus der Ukraine nun in Deutschland einen Asylantrag stellen müssen, obwohl gerade diese Überlastung des Asylsystems ursprünglich verhindert werden sollte.

Menschen mit ukrainischem Pass erfahren in weiten Teilen der Bevölkerung große Unterstützung. Seit dem 1. Juni 2022 werden die Menschen mit Leistungen nach dem Hartz-IV-Satz versorgt. Das bedeutet den gleichwertigen Zugang zum Gesundheitssystem wie Patient*innen der gesetzlichen Krankenkassen und beispielsweise den Anspruch auf eine Psychotherapie.

Diese Regelungen gelten aber nicht für Menschen aus Drittstaaten, die ebenfalls aus der Ukraine geflohen sind. Für sie gelten fortan mit der Versagung von Aufenthaltsrechten die vielen nachteiligen Belastungen eines Asylverfahrens wie Arbeits- und Ausbildungsverbote, die zwingende Unterbringung in Aufnahmeeinrichtungen und die prekäre Versorgung durch das Asylbewerberleistungsgesetz. Diese sieht geringere finanzielle Bedarfssätze und nur eine eingeschränkte Gesundheitsversorgung im Notfall vor. Auch die Folgen des Krieges und der Bedarf an psychosozialer Versorgung für diese Menschen werden damit ignoriert.

Ohne das Asylverfahren droht den Menschen wiederum die Illegalität, in der sie von der Versorgung völlig ausgeschlossen sein werden. Die aktuellen politischen Entscheidungen lassen von der ursprünglichen Solidarität leider nichts mehr erkennen.

Als Dachverband der Psychosozialen Zentren in Deutschland teilt die BAfF e.V. die Enttäuschung, wie sie der Berliner Flüchtlingsrat und andere NGOs aktuell zum Ausdruck bringen. Wir fordern die Berliner Politik auf, unverzüglich zu handeln. Die dringenden Handlungsziele sind klar:

  1. Alle aus der Ukraine geflohenen Drittstaatsangehörigen sind in die Regelungen zum § 24 AufenthG miteinzubeziehen.
  2. Die Fiktionsbescheinigungen sind auf mindestens 12 Monate auszustellen, so dass die Menschen eine annähernd reale Chance haben, nach den akuten Belastungen des Krieges zur Ruhe zu kommen und sich hier eine menschenwürdige Perspektive zu schaffen.
  3. Die bedeutsamen Verbindungen der Menschen in die Ukraine sind immer vorrangig zu prüfen und erst im zweiten Schritt ggf. die Situation im Herkunftsland der Person.

Die Stellungnahme als PDF.