Am 15.10.2024 haben wir zu einem parlamentarischen Frühstück eingeladen, um mit Mitgliedern des Bundestags ins Gespräch zu kommen. Das Thema: die Bedeutung und Perspektive der wichtigen Arbeit der Psychosozialen Zentren für Geflüchtete und Überlebende von Menschenrechtsverletzungen in Deutschland.
Unter der Schirmherr*innenschaft von Filiz Polat (Bündnis 90/Die Grünen) und Helge Lindh (SPD) haben wir diese Woche gemeinsam mit der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) einen Vormittag im Bundestag verbracht. Dabei haben die Schirmherr*innen betont, wie wichtig die Arbeit der Kolleg*innen vor Ort in den Zentren ist und wie sehr es diese Art von psychosozialer Unterstützung besonders derzeit braucht, während die migrationspolitische Debatte immer feindseliger wird. Viele geflüchtete Menschen strapaziert diese Verschärfung des Diskurses noch einmal zusätzlich zu den bereits bestehenden Belastungen und teils traumatischen Erlebnissen vor, auf und nach der Flucht. Auch die neuen asylpolitischen Gesetzesverschärfungen tragen zur steigenden Belastungen bei.

Im Gespräch mit Mitgliedern des Bundestags
Mitarbeitende aus unseren Mitgliedszentren haben von ihrer Arbeit berichtet, darunter Kolleg*innen aus dem PSZ Dresden, dem Therapiezentrum für Folteropfer in Köln und von Xenion in Berlin. Sie haben eindrücklich davon erzählt, was es bedeutet, therapeutisch mit Menschen zu arbeiten, die schwere Gewalt im Herkunftsland und/oder auf der Flucht überlebt haben und auch nach Ankunft in Deutschland täglich mit Hürden und Repressionen konfrontiert werden. Sie berichteten, wie ihre Teams interdisziplinär Räume schaffen, in denen Menschen sowohl in der Psychotherapie ihre Erlebnisse verarbeiten als auch unterstützt von Sozialarbeiter*innen und Jurist*innen daran arbeiten können, sich einen Rahmen äußerer Sicherheit aufzubauen und eine Perspektive für ihre Zukunft im neuen Land.

Aus unserem Blickwinkel als Bundesverband der Psychosozialen Zentren für Geflüchtete und Überlebende von Folter und schwerer Gewalt haben wir erklärt, was es für die Arbeit in unseren Mitgliedszentren bundesweit bedeutet, nur einen Bruchteil der Menschen aufnehmen zu können, die täglich dort um Hilfe bitten und diese dringend benötigen. Die neuesten Änderungen im AsylbLG treffen hier auf eine Versorgungsrealität, in der die PSZ einzige Anlaufstellen sind – und trotzdem auch mit der bisherigen Finanzierung bereits nur drei Prozent der versorgungsbedürftigen Geflüchteten behandeln konnten.

Die Psychosozialen Zentren leisten bundesweit aus humanitärer und gesundheitsökonomischer Sicht unverzichtbare Arbeit. Mit ihren multiprofessionellen Teams bieten sie ganzheitliche Unterstützung – von psychotherapeutischer Behandlung über Sozialberatung bis hin zur Rechtsberatung. Diese Angebote sind entscheidend für die psychosoziale Gesundheit und die Teilhabe von Schutzsuchenden, sei es im Sozialraum oder am Arbeitsmarkt. Die Psychosozialen Zentren sind oft der einzige Ort, an dem Menschen, die Folter, Krieg und andere schwere Menschenrechtsverletzungen erlitten haben, die Möglichkeit haben, ihre traumatisierenden Erfahrungen zu bearbeiten.
Lukas Welz, BAfF-Geschäftsleitung

Kürzungen der Bundesmittel geplant trotz steigender Bedarfe
Ungefähr ein Drittel der in Deutschland ankommenden geflüchteten Menschen leidet unter psychischen Erkrankungen, die dringend einer Therapie bedürfen, um nicht zu chronifizieren. Der Bedarf von Geflüchteten nach Anbindung an psychosoziale Versorgung außerhalb des gesundheitlichen Regelsystems, die derzeit in Deutschland nur die PSZ anbieten, steigt. Gründe dafür: Die steigenden Ankunftszahlen von geflüchteten Menschen plus die neu beschlossenen Verschärfungen im Asylsystem, die nun Schutzsuchende für 36 statt wie bisher für 18 Monate von der medizinischen Regelversorgung ausschließen.

Gleichzeitig plant die Bundesregierung, im nächsten Jahr die Bundesmittel, die auch zuletzt bereits nur rund 14 Prozent des PSZ-Budgets finanzieren, um knapp die Hälfte zu streichen. Ohne eine Alternative zur psychosozialen Versorgung von Überlebenden von Flucht und Folter anzubieten. Schon in diesem Jahr wurde die finanzielle Lage der Psychosozialen Zentren durch drastische Kürzungen von Bundesmitteln verschlechtert. Und das, obwohl Studien zeigen, dass die Folgekosten solcher Kürzungen enorm sein werden und es ganz abgesehen von menschen-, EU- und bundesrechtlichen Verpflichtungen auch ökonomisch Sinn ergibt, nicht an der gesundheitlichen Versorgung von Schutzsuchenden zu sparen. Diese Entscheidung würde nicht nur die eh schon vulnerablen Betroffenen und deren Familien belasten, sondern gleichzeitig auch zu erhöhten Folgekosten für Bund, Länder und Kommunen führen.

Unsere Arbeit zeigt, dass durch frühzeitige psychosoziale Unterstützung kostenintensive Folgebehandlungen, wie stationäre Versorgungen, vermieden werden können. Die PSZ fungieren zudem als wichtige Vermittlungsinstanzen für andere Akteur*innen im Gesundheits- und Sozialwesen.
Katja Eisenkolb, PSZ Dresden

Die PSZ werden hauptsächlich über zeitlich begrenzte öffentliche Fördermittel finanziert, wodurch die Nachhaltigkeit der Leistungen gefährdet ist und ein hoher bürokratischer Aufwand entsteht. Nur 6,3 Prozent der Gesamtfinanzierung stammen aus Kostenübernahmen von Therapien über die gesetzlich verankerten Leistungsträger, insbesondere Sozialämter, Krankenkassen und Jugendämter.
Unsere gemeinsame Forderung: psychosoziale Versorgung ausreichend finanzieren
Gemeinsam mit der BAGFW fordern wir daher eine dauerhafte und bedarfsdeckende Finanzierung der PSZ durch Bundesmittel. Um die Arbeit der Zentren bundesweit fortführen zu können, braucht es für das Haushaltsjahr 2025 mindestens 27 Millionen Euro aus Bundesmitteln. Der aktuelle Haushaltsentwurf des BMI sieht für nächstes Jahr hingegen eine Fast-Halbierung der Mittel von 2024 auf nur noch rund 7 Millionen Euro vor. Eine drastische Unterfinanzierung der inzwischen etablierten PSZ-Strukturen, mit der die Bundesregierung ihrer Pflicht zur Versorgung von Schutzsuchenden de facto nicht einmal annähernd nachkommt. Das würde nicht nur unmittelbar die Versorgung von in Deutschland ankommenden oder bereits angekommenen Geflüchteten gefährden, sondern auch die Strukturen vieler Zentren selbst unrevidierbar zerstören. Wenn nicht schnell von den Kürzungsplänen abgesehen wird, sind Insolvenzen und der Verlust von professionellen Fachkräften unvermeidbar.
unser Factsheet gibt es hier als pdf zum Download

Kontakt
Wenden Sie sich gern an uns, wenn Sie Rückfragen oder Interesse an einem Interview mit unseren Referent*innen haben.
Marie-Claire Wygand (sie/ihr)
Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
presse@baff-zentren.org
Über die BAfF
Die BAfF e. V. ist der Bundesverband der Psychosozialen Zentren, die Überlebenden von Krieg, Folter und Flucht in Deutschland helfen. Seit über 25 Jahren setzen wir uns für eine flächendeckende und niederschwellige Versorgung von geflüchteten Menschen ein. Diese benötigen nach oft schwer traumatisierenden Erfahrungen schnelle psychosoziale Begleitung. Die BAfF vertritt die Interessen von Überlebenden schwerer Menschenrechtsverletzungen gegenüber der Politik und der (Fach-)Öffentlichkeit, vernetzt Akteur*innen der psychosozialen Arbeit und bringt sich durch Projekte, Veranstaltungen und Öffentlichkeitsarbeit in den fachlichen und politischen Diskurs ein.