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Dringende Unterstützung für akut gefährdete Menschen sexueller und geschlechtlicher Minderheiten in Afghanistan

Seit der Machtübernahme der Taliban erreichen uns grausame Bilder und Nachrichten von Menschen, die in Afghanistan mit massiver Gewalt, Folter und Tod rechnen müssen. Insbesondere Angehörige sexueller und geschlechtlicher Minderheiten sind durch die radikalen politischen Kräfte, die nun die Macht im Land übernommen haben, gefährdet. Diese akute Bedrohung betrifft insbesondere Frauen und Mädchen, aber auch alle Menschen, deren geschlechtliche und sexuelle Identität von der vermeintlichen gesellschaftlichen Norm abweicht und damit (ungewollt) gelebten Widerstand gegen die islamistische Herrschaft bedeutet. In der aktuellen Situation, in der täglich bestehende Schutzhäuser für Aktivist*innen aufgelöst werden und Betroffene zum eigenen Schutz untertauchen, ist es besonders schwierig, Strukturen vor Ort zu finden und zu erreichen, die sich für LSBTIQ*-Personen einsetzen. Zum Schutz dieser Menschen fordern die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF e.V.), Rosa Strippe e.V. sowie die Schwulenberatung Berlin:

  • Die Evakuierung von Personen, die aufgrund ihrer geschlechtlichen und/oder sexuellen Identität mit Gewalt und dem Tod rechnen müssen, etwa in Form von Kontingentlösungen;
  • Internationale Hilfs- und Kooperationsmaßnahmen für LSBTIQ* Rechte müssen nachhaltig unterstützt und Wege der Unterstützung von Akteur*innen vor Ort, trotz der Herrschaft der radikal-islamistischen Taliban, gefunden werden.

Während der vergangenen 20 Jahre wurden LSBTIQ* Personen als Zielgruppe internationaler Hilfs- und Kooperationsmaßnahmen ausgeblendet. Jene Menschen, die sich in Afghanistan für LSBTIQ* Rechte einsetzen, sind bei den aktuellen Evakuierungsversuchen und damit für die politischen Entscheidungsträger*innen unsichtbar. Selbst die direkte, zum Beispiel finanzielle Unterstützung wird dadurch erschwert.

Alva Träbert, Rosa Strippe e.V. sagt:

Sexuelle und geschlechtliche Minderheiten in Afghanistan sind massiver LSBTI-feindlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung ausgesetzt. Sie erleben sexualisierte Gewalt, Folter, Zwangsheirat, Konversionsversuche, aber auch die Verweigerung von Schutz und medizinischer Versorgung.

Nach der Aufnahme in Deutschland stehen Flüchtende, die aufgrund ihrer Sexualität und geschlechtlichen Identität Verfolgung und Gewalt erfahren haben, vor der Herausforderung, ihre Erlebnisse und ihre Identität für deutsche Asylbehörden und Aufnahmeeinrichtungen verständlich zu machen. Vielen fehlt das Wissen über ihre bestehenden Schutzrechte innerhalb der EU. Hinzu kommt, dass westliche Identitätskategorien wie schwul, lesbisch, bisexuell, transident für die Geflüchteten unter Umständen bislang weder bekannt noch relevant waren. Nichtsdestotrotz wurde sexuelle und geschlechtliche Vielfalt von ihrem Umfeld als krankhaft, sündhaft und kriminell stigmatisiert. Dabei ist in vielen Fällen gerade die strafrechtliche Verfolgung bestimmter sexueller Handlungen ein direktes Relikt europäischer Kolonialbesetzung. Die hohen Barrieren in der Unterstützung vor Ort sowie der Identifizierung von Schutzbedürftigkeit in Deutschland erschweren den Zugang zu Sicherheit massiv.

Stephan Jäkel, Schwulenberatung Berlin, sagt:

Es ist daher wichtig, dass afghanische LSBTIQ* jetzt Schutz und Asyl in Städten finden, in denen es staatliche Verfahren und Community-Angebote gibt, die die Ressourcen und Kompetenz haben, Unterstützung mit adäquaten und sensiblen Angeboten zu leisten.

Leonie Teigler, BAfF e.V., sagt:

Die psychosozialen Zentren für Überlebende von Krieg, Verfolgung und Flucht bieten LSBTIQ* Geflüchteten in Kooperation mit spezialisierten Beratungsstellen einen Raum der Anerkennung und des Vertrauens, sich mit ihrer Identität und den oft traumatisierenden Erfahrungen auseinanderzusetzen.


Statements

Alva Träbert, Rosa Strippe e.V. und Stephan Jäkel, Schwulenberatung Berlin, stehen gerne für Interviews zur Verfügung. Bitte schreiben Sie dazu eine E-Mail an atraebert@rosastrippe.net und/oder s.jaekel@schwulenberatungberlin.de


Über die BAfF

Die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer e.V. (BAfF) ist der Dachverband der Psychosozialen Zentren, Einrichtungen und Initiativen, die sich die psychosoziale und therapeutische Versorgung von Überlebenden von Folter, Krieg und Flucht in Deutschland zur Aufgabe gemacht haben. Seit 25 Jahren engagiert sich die BAfF für vollen Schutz und gleiche Rechte für Geflüchtete. Weitere Informationen unter https://www.baff-zentren.org/

Über Rosa Strippe e.V.

Die Rosa Strippe e.V. bietet als Beratungszentrum für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt Unterstützung für lesbische, schwule, bisexuelle, queere, trans* und inter* Personen und ihre Angehörigen. Ein Arbeitsschwerpunkt ist hierbei die mehrsprachige Beratung Geflüchteter zur Verwirklichung ihrer Schutzrechte, dem Zugang zu gesundheitlicher Versorgung und sozialer Teilhabe. Hierzu werden auch Fortbildungen angeboten. Weitere Informationen unter https://rosastrippe.net/

Über die Schwulenberatung Berlin

Die Schwulenberatung Berlin gGmbH ist eine Einrichtung der psychosozialen Gesundheitsförderung.  Sie unterstützt, berät, begleitet und betreut homo- und bisexuelle, trans* und inter*geschlechtliche Menschen sowie Menschen mit HIV/Aids/Hepatitis in allen psychosozialen, psychologischen, sozial-, asyl- und aufenthaltsrechtlichen Fragen sowie der individuellen Lebensplanung. Weitere Informationen unter https://schwulenberatungberlin.de/

Die Pressemitteilung als pdf.