Vom 3. bis 5. Juni 2024 fand in Berlin die Fachtagung „Resist. Defend. Protect. Psychosoziale Arbeit in Zeiten von Rechtsverschiebung und Ohnmacht“ statt, organisiert von der BAfF und medico international. Die Tagung brachte Fachkräfte, Aktivist*innen und Interessierte zusammen, um über die Herausforderungen und Handlungsmöglichkeiten psychosozialer Arbeit im Angesicht zunehmender politisch rechter Tendenzen und gefühlter gesellschaftlicher Ohnmacht zu diskutieren.
Rückblick auf die Tagung
Die dreitägige Veranstaltung gliederte sich in die Themenbereiche „Resist“, „Defend“ und „Protect“ und bot ein vielfältiges Programm aus Vorträgen, Workshops und Diskussionsrunden. Im Fokus standen die Auswirkungen politischer Rechtsverschiebungen auf die psychosoziale Versorgung von Geflüchteten und Migrant*innen sowie Strategien des Widerstands und der Solidarität. Besondere Aufmerksamkeit galt der Frage, wie psychosoziale Fachkräfte trotz zunehmender Einschränkungen handlungsfähig bleiben und menschenwürdige Unterstützung leisten können. Dabei wurde deutlich, dass kollektive Gefühle der Hilflosigkeit und Erschöpfung einerseits, aber auch zunehmende gesellschaftliche Mobilisierung andererseits die Arbeit in diesem Feld prägen.
Die Tagung fand im Sommer 2024 unmittelbar vor der Europawahl sowie den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg statt und machte deutlich: Inmitten zunehmender Ohnmacht und Repression sind kollektive Strategien, fachlicher Austausch und politische Haltung zentrale Ressourcen für psychosoziale Arbeit. „Resist. Defend. Protect.“ war nicht nur ein Titel, sondern eine Einladung zur gemeinsamen Positionierung – in der Praxis, in der Politik und im Alltag.
Hintergrund und Zielsetzung
Psychosoziale Arbeit findet zunehmend unter Bedingungen statt, die durch politische und gesellschaftliche Polarisierung, Einschränkung von Rechten und eine massive Zunahme rassistischer und autoritärer Tendenzen geprägt sind. Die Tagung war eine Reaktion auf diese Entwicklung – mit dem Ziel, Räume zu schaffen für Reflexion, kollektive Strategien und gegenseitige Stärkung.
Die drei inhaltlichen Leitbegriffe „Resist“, „Defend“ und „Protect“ bildeten die thematische Struktur der dreitägigen Tagung, jeder Veranstaltungstag war unter dem Motto eines der Begriffe gestaltet.
Videodokumentation
Die gesamte Tagung wurde videodokumentiert. Die Aufzeichnungen der Keynotes und Paneldiskussionen sind auf dem YouTube-Kanal der BAfF in einer eigenen Playlist zur Tagung verfügbar.
Tag 1: „Resist“
Der erste Tag stand unter dem Motto „Resist“: Wie können psychosoziale Fachkräfte Widerstand gegen Entmenschlichung, Entrechtung und institutionelle Gewalt leisten – im Arbeitsalltag und darüber hinaus?
Eröffnungsvortrag: “Psychosoziale Arbeit im Spannungsfeld politischer Entwicklungen”
Referent*innen:
- Ulrike Schneck | Vorstandsvorsitzende der BAfF
- Lukas Welz | Geschäftsleitung der BAfF
- Anita Starosta | Leitung der Öffentlichkeitsarbeit von medico international
Dialog: „Authoritarian Attack – Transforming Societies – Transforming Solidarities“
Referent*innen:
- Prof. Dr. Ulrike Kluge | Leiterin der Abteilung Migration und Gesundheit, BIM & Leiterin des Zentrums für Interkulturelle Psychiatrie und Psychotherapie (ZIPP) an der Charité Universitätsmedizin Berlin
- Ulli Jentsch | Journalist und Researcher, aktiv in der antifaschistischen internationalen Zusammenarbeit
- Moderation: Anita Starosta | medico international
Keynote & Panel zum Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS): „Griechenland als Testlabor“
Referent*innen:
- Valeria Hänsel | Migrationsforscherin und Referentin für Flucht & Migration in den Regionen Osteuropa, östliches Mittelmeer und Nahost bei medico international
- Lorraine Leete | Legal Centre Lesvos (LCL)
- Sarah Schneider | Medical Volunteers International (MVI)
- Moderation: Alva Träbert | BAfF
Panel: „Schlechtes Wetter, harte Zeiten. Europa vor der Wahl“
Referent*innen:
- Radwa Khaled-Ibrahim | medico international
- Anne Aradi | International Women* Space/Break Isolation Group
- Moderation: Julia Manek | medico international
Tag 2: „Defend“
Am zweiten Tag ging es um „Defend“ und die Frage, wie sich psychosoziale Arbeit verteidigen lässt – institutionell, rechtlich, politisch. Was tun, wenn Finanzierung wegbricht, Zugangsbeschränkungen steigen und Fachkräfte unter Druck geraten?
Keynote: „Haltung finden – psychosoziale Arbeit zwischen Überforderung und Wut“
Referentin:
Usche Merk | Fachreferentin für psychosoziale Arbeit und Projektkooperation bei medico international
Panel: „Gegen die Ohnmacht: Resist. Defend. Protect.“
Referent*innen:
- Shadi Amin | LGBTI-Aktivist*in und Koordination des Iranischen Lesben- und Transgender-Netzwerks 6rang
- Newroz Duman | Aktivistin, Traumapädagogin, aktiv bei We’ll Come United und in der Initiative 19. Februar Hanau
- Peter Steudtner | freiberuflicher Trainer zu holistischer Sicherheit, gewaltfreier Konflikttransformation, Dokumentarfotograf/ Filmemacher
- Moderation: Leo Teigler | BAfF
Tag 3: „Protect“
Der letzte Tag richtete den Blick auf „Protect“, das Schützen, – sowohl von Klient*innen als auch von Fachkräften. Was bedeutet Care-Arbeit in einem feindlichen Umfeld? Wie können Schutzräume geschaffen werden, ohne sich abzuschotten?
Panel: „Ist Heilung auch politisch? Über das Verhältnis von Schweigen und ‚Schutz‘“
Referentin:
Lucía Muriel | klinische Psychologin, Bildungsarbeit zu sozialen und psychischen Folgen von erlebtem Rassismus und Ausgrenzung, Flucht und Migration, als Aktivistin Gründung mehrerer migrantischer und feministischer Organisationen und Verbände
Roundtable: “Psychische Gesundheit als Menschenrecht”
Referent*innen:
- Maria Książak | Psychologin, Teil von Xenion – psychosoziale Hilfen für politisch Verfolgte, Berlin & International Humanitarian Initiative Foundation (IHIF), Warschau
- Karol Cichocki | Journalist und Aktivist des POPH-Rettungsteams an der polnisch-belarussischen Grenze
- Xawery Deskur | Künstler, Warschau
- Kacper Dziedzic | Künstler, Warschau
Videodokumentation der gesamten Tagung
Alle Panels, Vorträge und Diskussionen stehen online zur Verfügung in der offiziellen YouTube-Playlist:
Zur Playlist auf YouTube
Kontakt
Wenden Sie sich gern an uns, wenn Sie Rückfragen oder Interesse an einem Interview mit unseren Referent*innen haben.
Marie-Claire Wygand (sie/ihr)
Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
presse@baff-zentren.org
Über die BAfF
Die BAfF e. V. ist der Bundesverband der Psychosozialen Zentren, die Überlebenden von Krieg, Folter und Flucht in Deutschland helfen. Seit über 25 Jahren setzen wir uns für eine flächendeckende und niederschwellige Versorgung von geflüchteten Menschen ein. Diese benötigen nach oft schwer traumatisierenden Erfahrungen schnelle psychosoziale Begleitung. Die BAfF vertritt die Interessen von Überlebenden schwerer Menschenrechtsverletzungen gegenüber der Politik und der (Fach-)Öffentlichkeit, vernetzt Akteur*innen der psychosozialen Arbeit und bringt sich durch Projekte, Veranstaltungen und Öffentlichkeitsarbeit in den fachlichen und politischen Diskurs ein.