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Wir schaffen das. Bilanz von Bundeskanzlerin Merkels Asylpolitik.

6 Jahre nach „Wir schaffen das“: Bilanz von Bundeskanzlerin Merkels Asylpolitik

BAfF fordert Bekenntnis der nächsten Bundesregierung zu humanitären Verpflichtungen in der Anerkennung und Versorgung Asylsuchender

„Wir schaffen das“. Dem Satz von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel vor sechs Jahren am 31. August 2015 folgte eine Welle der Solidarität und die Aufnahme knapp einer Million Geflüchteter. Nach jahrzehntelangem Wirken für die Würde von Geflüchteten und ihrer Gesundheitsversorgung versprach der Satz für die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF) Motivation und politische Unterstützung. In den folgenden Jahren wurde das deutsche Asylrecht durch das Asylpaket II von 2016 und das so genannte Geordnete-Rückkehr-Gesetz von 2019 jedoch deutlich verschärft und zivilgesellschaftliche Akteure mit der Versorgung und Betreuung Überlebender von Folter, Krieg und Flucht allein gelassen.

Diese Hilfe wird in den kommenden Jahren, auch durch die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan, akut bleiben. Deutschland ist darauf weder vorbereitet, noch agiert es im Rahmen seiner eigenen humanitären Verpflichtungen. So haben die psychosozialen Zentren in Deutschland allein Im Jahr 2018 mehr als 22.000 Klient*innen behandelt, der Bedarf lag allerdings weitaus höher: So konnten die Zentren rund 7.000 Menschen aus Kapazitätsgründen gar nicht erst behandeln.

Deutschland kommt seinen eigenen Verpflichtungen nicht nach

Lukas Welz, Geschäftsführer der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft Psychosoziale Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF) sagt:

Die Asylrechtsverschärfungen in der Regierungszeit von Bundeskanzlerin Merkel führen zu traumatisierenden Abschiebungen und mangelnder Gesundheitsversorgung von Geflüchteten.

„Die nächste Bundesregierung muss einen Anspruch auf Sprachmittlung gesetzlich verankern. Kranke und traumatisierte Geflüchtete dürfen nicht abgeschoben werden. Die Asylrechtsänderungen müssen zurückgenommen werden, um den vollen Schutz und gleiche Rechte für alle Menschen in Deutschland sicherzustellen.“

Durch die aktuelle Gesetzeslage bietet das deutsche Asylsystem Geflüchteten nicht jenen Schutz und Versorgung, zu denen sich Deutschland selbst verpflichtet hat. Durch die Asylrechtsverschärfungen müssen Geflüchtete in ihrem Asylverfahren durch ein Attest belegen, dass sie schwer erkrankt oder traumatisiert sind. Die häufig unerfüllbaren Anforderungen an diese Atteste stellen eine erhebliche Gefahr für die psychische Gesundheit dar und führen im schlimmsten Fall zur Abschiebung trotz Krankheit. So werden schwere Erkrankungen und Traumata nicht ausreichend im Asylverfahren berücksichtigt. Zudem fehlt es an einem gesetzlichen Anspruch auf Sprachmittlung in der Gesundheitsversorgung. Ohne Sprachmittlung kann es zu Missverständnissen und im äußersten Fall zu Fehlbehandlungen kommen.

Maria Hummel, Psychotherapeutin in einem Psychosozialen Zentrum in Berlin, sagt:

Ich bin mit der Vermittlung von Patientinnen in Krankenhäuser mittlerweile zurückhaltend, außer es geht gar nicht anders, zum Beispiel, wenn die Patientinnen akut suizidal sind. In Berlin gibt es zwar psychiatrische Notaufnahmen, bei denen ich weiß, dass ich Menschen mit Sprachmittlungsbedarf hinschicken kann und sie aufgenommen werden können. Allerdings sieht es auf vielen psychiatrischen Stationen dann oft ganz anders aus – da fällt für Menschen ohne Deutschkenntnisse ein großer Teil der Behandlung einfach weg. Ich frage mich: Was macht eine Person in einer psychischen Krise dann im Krankenhaus, wenn sie kein Deutsch spricht? Wer kann sich um die Person kümmern? Wie kann sie an therapeutischen Angeboten eingebunden werden? Werden Sie über Medikamente und Befunde richtig aufgeklärt? Leider weiß ich, dass die Realität oftmals sehr unzureichend ist und daher überlege ich zwei Mal wohin ich Patient*innen schicke.


Interviews

Lukas Welz, Geschäftsführer der BAfF, und Maria Hummel stehen für Interviews und Statements gerne zur Verfügung. Das Interview mit Maria Hummel bitten wir anonymisiert zu veröffentlichen. Für Presseanfragen wenden Sie sich bitte an Isabelle Hindenberg, Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei der BAfF, unter 01575 87 57 826 oder isabelle.hindenberg@baff-zentren.org.