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„Diagnosen unter Verdacht“ – Missbrauchsverdacht gegenüber psychol. Gutachten

„Dieser Ton in einer Gesetzesbegründung ist neu. Man hört darin das Vorurteil, ja das Misstrauen gegenüber Bescheinigungen, die Flüchtlingen angeblich mal eben eine traumatische Belastungsstörung attestieren. Um sie damit vor der Abschiebung zu bewahren. Im Asylpaket II heißt es dazu in sperrigem Behördendeutsch: „Nach den Erkenntnissen der Praktiker werden insbesondere schwer diagnostizier- und überprüfbare Erkrankungen psychischer Art (zum Beispiel Posttraumatische Belastungsstörungen) sehr häufig als Abschiebehindernis geltend gemacht, was in der Praxis zu deutlichen zeitlichen Verzögerungen bei der Abschiebung führt“. Im Klartext: Psychiatrische Diagnosen würden instrumentalisiert, um Vorteile für Flüchtlinge zu erlangen.“

Barbara Dribbusch schreibt in der taz vom 15.03.2016 über die Probleme, die das Asylpaket 2 bei der Anerkennung von psychischen Erkrankungen, wie etwa einer Posttraumatischen Belastungsstörung, mit sich bringt.

In den Stellungnahmen der BAfF wurde in den vergangenen Monaten darauf hingewiesen, dass das Asylpaket 2 in der Praxis zu erheblichen Verschärfungen des Asylrechts führt – insbesondere auch für traumatisierte und kranke Menschen.

Das Gesetz legt fest, dass über die Asylanträge für bestimmte Gruppen von Geflüchteten innerhalb von einer Woche entschieden wird. Darunter fallen alle Menschen, die aus sicheren Herkunftsländern kommen, im Folgeverfahren sind oder ihre Papiere vernichtet haben sollen. „Gerade für Traumatisierte ist dies problematisch: sie können erlittene Menschenrechtsverletzungen oftmals nicht sofort so zusammenhängend und ohne Zeitsprünge vorbringen, wie das der Gesetzgeber von ihnen erwartet. Das braucht Schutz und Zeit, die in dem beschleunigten Verfahren nicht gegeben ist“, sagt Elise Bittenbinder, Vorsitzende der BAfF e.V.

Gesundheitliche und psychische Erkrankungen, wie etwa auch die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), sollen einer Abschiebung künftig nicht mehrentgegenstehen. Ist eine medikamentöse Behandlung im Heimatland möglich, darf auch bei schweren Erkrankungen abgeschoben werden – dabei wird nicht überprüft, ob die Behandlung tatsächlich realistisch erreichbar und im Einzelfall zumutbar ist. Für psychische Krankheiten ist dies schon allein deshalb unhaltbar, weil etwa die PTBS nach geltenden medizinischen Standards überhaupt nicht ausschließlich medikamentös behandelt werden darf.

Diese Standards werden auch mit dem Plan ignoriert, Erkrankungen nur noch mit ärztlichem Attest und nicht mehr durch qualifizierte psychologische Gutachten anzuerkennen. „Anstatt psychische Erkrankungen mit hoher Sorgfalt und von Fachleuten begutachten zu lassen, wälzt das Bundesinnenministerium die eigene Überforderung auf die Schultern traumatisierter Geflüchteter ab, verkürzt die Zeit für die Einholung von Gutachten und erwehrt sich künftig schon präventiv jeglichem psychologischen und psychotherapeutischen Sachverstand“, kritisiert Bittenbinder. Dies widerspricht der geltenden Rechtsprechung: Psychologische PsychotherapeutInnen sind auch im Sozialgesetzbuch den FachärztInnen gleichgestellt und befähigt, psychische Erkrankungen zu diagnostizieren und entsprechende Gutachten zu verfassen.

Der Artikel von Barbara Dribbusch findet sich unter http://taz.de/!5283018/