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BAfF-Tagung: Expert*innen erwarten verbesserte Gesundheitsversorgung für Flüchtlinge

Familien werden zu politischer Verhandlungsmasse –
Gesundheitsexpert*innen fordern: Behandlung und Integration ermöglichen statt Familien zu trennen

Es braucht strukturelle Veränderungen in der gesundheitlichen- und psychosozialen Versorgung für Geflüchtete. Das ist das Ergebnis der BAfF-Fachtagung 2017, die vom 9. bis 11. November  in Bremen zum Thema „Das Persönliche und das Politische“ stattgefunden hat.  Laut Studien sind etwa 40 % der in Deutschland Schutz suchenden Flüchtlinge seelisch belastet oder haben Traumatisches erlebt. Noch immer mangelt es bundesweit an dringend notwendigen Behandlungsmöglichkeiten sowie der Kostenübernahme für Dolmetscherleistungen.

„Grundlegende Menschenrechte dürfen nicht politischen Stimmungen geopfert werden“, Hans-Jochen Zenker, Vorstand der BAfF und ehemaliger Leiter des Bremer Gesundheitsamtes.

Etwa 200 Fachkräfte, Therapeut*innen, Ärzt*innen, Berater*innen aus Beratungs‐ und Behandlungszentren des ganzen Bundesgebietes sowie aus dem Bereich Gesundheit und soziale Arbeit waren der Einladung der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge, BAfF e.V., und REFUGIO Bremen gefolgt. Zahlreiche Vorträge und Workshops thematisierten Prävention, Gesetzesänderungen, transgenerationale Weitergabe von Traumata und den Umgang mit grundlegenden Menschenrechten.

Hans-Jochen Zenker, Vorstand BAfF e.V.

Sama Maani, Autor

 

Zu den grundlegenden Menschenrechten gehört auch, als Familie zusammenleben zu können. „Die Familien der Geflüchteten dürfen nicht zur Verhandlungsmasse von Koalitionsverhandlungen werden“, stellt Barbara Eßer, Vorstandsmitglied der BAfF, fest. „Die Aussetzung des Familiennachzugs“, so Eßer, „opfere die Gesundheit und das Wohl von Menschen politischen Interessen.“

Die Fortschreibung der Einschränkung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzbedürftige, wie es in den Koalitionsgesprächen gefordert werde, würde Leiden manifestieren und die Integration verhindern.

Im Austausch auf der Tagung wurde deutlich, dass die ständige Angst um nächste Angehörige zu extremen zusätzlichen Belastungen führt. Zwei Einzelfälle sind beispielhaft dafür: Ein traumatisierter syrischer Familienvater, der zwar subsidiären Schutz erhalten hat, ist zusätzlich in ständiger Sorge um seine schwer depressive Ehefrau und zwei Töchter, die in der Türkei leben. Mittlerweile ist seine ältere Tochter 18 Jahre alt geworden und müsste deswegen alleine in der Türkei zurückbleiben. Oder wie kann eine junge Syrierin nach zwei Suizidversuchen stabilisiert werden, die den Tod eines Kindes im Alter von 1,5 Jahren zu verschmerzen hat und ihr zweites 4-jähriges Kind, das im Libanon bei Verwandten lebt, als nur subsidiär Schutzberechtigte nicht nachholen kann?

Familientrennungen unter solchen Rahmenbedingungen tragen zu einer zunehmenden Erkrankung bei. Die Trennung von ihrer Familie und die Angst um ihr Leben nimmt vielen die Kraft, die sie für das Erlernen der Sprache, die Schritte in unsere Gesellschaft brauchen.

Auditorium, Bürgerzentrum Vahr

 

Traumatisierte und seelisch belastete Flüchtlinge gehören zur vulnerabelsten Gruppe. Sie brauchen besonderen Schutz und eine spezialisierte Unterstützung. Diese wird im Regelsystem nur lückenhaft gewährleistet. Die bundesweit 37 spezialisierten Zentren, wie etwa REFUGIO in Bremen, schließen diese Lücke durch mehrsprachige therapeutische Behandlungen und psychosoziale Angebote für etwa 18.000 Flüchtlinge jährlich. Sie sind ein Teil der Regelversorgung geworden, ohne jedoch über stabile finanzielle Mittel zu verfügen.

Auch hier gibt es klaren Handlungsbedarf seitens der Politik, stellen die Teilnehmenden zum Ende der Tagung am 11. November 2017 im Bürgerzentrum Vahr fest.

Tagungsprogramm:www.refugio-bremen.de/aktuelles/termine/

 

Kontakt:
Marc Millies, REFUGIO Bremen, Telefon: (0421) 176677-31; Mail: m.millies@refugio-bremen.de
Daniela Krebs, BAfF e.V. Berlin, Telefon: (030) 82097355, Mail: daniela.krebs@baff-zentren.org